Tulpenfieber-(c)-2017-Thimfilm(1)

Tulpenfieber

6
Drama

Gleich einem niederländischen Gemälde des Goldenen Kunstzeitalters, wie es in einem der verwickelten Erzählstränge gemalt wird, ist Justin Chadwicks Kostümdrama übervoll mit Verweisen auf Nebenschauplätze. Die meisten davon bleiben außer Reichweite des Publikums und des halben Dutzend Protagonisten, deren Torheiten und Tragödien so flüchtig erscheinen wie die titelgebende Manie.

Das Tulpenfieber im Holland des 17. Jahrhunderts ist in der hitzigen Adaption von Deborah Moggachs Roman eine überdeutliche Metapher für die zwischenmenschlichen Spekulationen der Charaktere. Allesamt sind sie ebenso sehr Ausnutzende wie Ausgenutzte der Bedürfnisse ihres Umfelds. Das Gleiche gilt für die Filmschaffenden, die jeder ihrer eigenen Agenda folgen, ohne Rücksicht auf ein einheitliches Konzept.

Entsprechend sprunghaft ist die Inszenierung, die vom akkuraten Sittengemälde zur schwülen Historienromanze kippt, nur um dann einer satirischen Burleske Platz zu machen. Die Kombination ist mehr eine melodramatische Variation von Chaucer als Shakespeare in Love, an den mehr als eine Szene erinnert. Was augenscheinlich ungenutzte Ideen des knapp 20 Jahre alten Oscar-Erfolgs sind, unterbaut Drehbuchautor Tom Stoppard mit Elementen aus Webbers The Girl with the Pearl Earring.

Ob das nun kopiert ist oder clever integriert ist, entscheidet die individuelle Meinung vom Autor von Rosencrantz and Guildenstern Are Dead. Er will vor allem beweisen, dass er immer noch der Klopfer der Sprüche ist, dem kein linguistischer Interpretationsspielraum entgeht.

Ein wenig Wortwitz und Voyeurismus übertünchen die sträfliche Ignoranz der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tragweite des Handlungshintergrunds. Dessen historische Bedeutung als erste dokumentierte Bubble und Vorläufer moderner Börsengeschäfte bleibt völlig außen vor. Ein verrauchtes Hinterzimmer, in dem der selbstverliebte Maler Jan Van Loos (Dane DeHaan) und Fischverkäufer William (Jack O’Connell) mit Zwiebeln aus dem Klostergarten einer weltlichen Oberin (Judi Dench) ihr amouröses Glück erhandeln wollen, ist lediglich eine weitere der detailgetreuen Kulissen.

Letzte liefern neben Alicia Vikanders gerissener Bürgergattin Sophia Sandvoort und deren befreundeter Magd Maria (Holliday Grainger) den Hauptunterhaltungswert in einer dekorativen Geistesblüte, nicht unähnlich den prominenten Blumen des Films: ganz hübsch, aber nicht zu überschätzen.

Regie: Justin Chadwick, Drehbuch: Tom Stoppard, basierend auf dem Roman von Deborah Moggach, Darsteller: Cara Delevingne, Alicia Vikander, Dane DeHaan, Christoph Waltz, Zach Galifianakis, Judi Dench, Filmlänge: 107 Minuten, Kinostart: 25.08.2017