Die Lotterie
Willkommen in der Twilight Zone. Ach so, hoppla, nein. Doch nicht. Willkommen zu einer geballten Dosis Shirley Jackson!
Die Autorin ist vor allem durch ihre beiden Gruselromane Spuk in Hill House und Wir haben schon immer im Schloss gelebt bei uns bekannt. Beide wurden bereits mehrfach verfilmt. Weniger prominent sind hierzulande ihre Kurzgeschichten. Der Festa Verlag veröffentlichte kürzlich mit Die Lotterie einen Band mit einigen der bekanntesten Kurzgeschichten Jacksons. Diese sind ein beeindruckender Beweis ihres unnachahmlichen schriftstellerischen Talents. Einiges erinnert tatsächlich ein bisschen an die Twilight Zone. Doch würde dieser Vergleich bei der literarischen Qualität der Texte einfach zu kurz greifen.
Die erste Story, die Titelgeschichte Die Lotterie, sorgte bei der Erstveröffentlichung 1948 in der Literaturzeitschrift The New Yorker für einen Eklat, und rief Massen an aufgebrachten Leserreaktionen hervor. Bei allen Kontroversen gilt die Geschichte heute als eine der besten Short Stories des 20. Jahrhunderts und wurde ebenfalls in verschiedenen Formen adaptiert. Für Fernsehen und Radio, es gibt sogar eine Oper und ein Ballett. Die Story hat von ihrer niederschmetternden Wirkung bis heute nichts verloren.
Andere berühmte Episoden dieses Bandes sind zum Beispiel Die Möglichkeit des Bösen. Hier verschickt eine ältere Dame gemeine anonyme Briefe an ihre Nachbarn, mit diebischer Freude und Seelenruhe. Oder auch Louisa, komm bitte nach Hause. Die Geschichte handelt von einem Mädchen, das von zu Hause davongelaufen ist. Nach einigen Jahren kehrt sie zurück – wird aber von ihrer Familie nicht mehr wiedererkannt oder angenommen.
Weitere Highlights: In Familienschätze klaut eine Studentin bei ihren Kommilitoninnen. Ihre Vorgehensweise ist dabei genauso erstaunlich, wie der Hintergrund der Taten. Oder Der Mann im Wald, wo ein Verirrter auf eine Hütte im Wald trifft, die zwar bewohnt ist, aber deren Bewohner eine höchst eigene Ansicht des Begriffs Hausrecht verfolgen.
Abgründig, satirisch, bösartig. Die 18 Stories aus Die Lotterie haben es wirklich in sich. Shirley Jacksons Geschichten sind bevölkert von gebrochenen Figuren, deren Handlungen irritieren und zum Weiterdenken anregen. Die psychologische Raffinesse mit der sie dabei vorgeht, ist wahrlich beeindruckend. Diese Stories sind hintersinnig und warten nicht selten mit einer bösen Schlusspointe auf. Diese Kurzgeschichtensammlung gehört zum Besten, was das Genre in Amerika im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Die einzelnen Geschichten haben weder an Biss noch an Aktualität verloren. Und Shirley Jacksons literarischer Stil ist wirklich ganz große Kunst.
Die Lotterie – und andere dunkle Erzählungen von Shirley Jackson, 368 Seiten, erschienen im Festa Verlag.
