Maldoror (c) 2024 Slash Filmfestival(1)

Maldoror

6
Thriller

Maldoror, der neue Film von Regisseur Fabrice Du Welz, erzählt eine fiktionalisierte Variante eines realen Kriminalfalls aus Belgien, der in den 1990er über die Landesgrenzen hinaus schockierte und zu massiven Diskussionen führte.

Der Film beginnt mit dem Verschwinden zweier junger Mädchen. Die Erschütterung in der Bevölkerung ist groß, die Polizei wie gelähmt. Der junge Gendarm Paul Chartier (Anthony Bajon) steht kurz vor der Hochzeit mit seiner geliebten Gina (Alba Gaïa Bellugi). Der Idealist, mit starkem Gedächtnis, aber auch einem hitzigen Gemüt, verbeißt sich in dem Fall. Er möchte unbedingt ins Team der geheimen Operation „Maldoror“, das sich an die Fersen eines bereits einmal verurteilten und eingesessenen Sexualstraftäters (Sergi López) heftet. Paul versteigt sich immer mehr in dem Fall. Darunter leidet nicht nur seine Ehe und sein junges Familienglück – auch beruflich steht er bald vor immer mehr Wänden. Aber aufgeben ist dennoch keine Option.

Maldoror ist dunkelstes europäisches Thiller-Kino mit absoluter No-Fun-Garantie. Der Film feierte erst Anfang September seine Welturaufführung bei den Filmfestspielen in Venedig. Dem Slash Filmfestival in Wien gelang ein besonderer Coup: Nur drei Wochen später konnte der Film auch hier gezeigt werden. Anwesend waren Regisseur Fabrice Du Welz und sein Production Designer Manu De Meulemeester. Du Welz merkte bereits vor dem Film an: Wohlfühl-Netflix-True-Crime – this is not! Diese Einstellung kann man zweifelsfrei unterschreiben.

Du Welz schrieb das Drehbuch zusammen mit Domenico La Porta. Die Autoren ließen sich dabei einige Freiheiten gegenüber dem realen Fall um den belgischen Mörder und Sexualstraftäter Marc Dutroux. Ist ja auch Kino. Als großen Trumpf haben die Macher den jungen französischen Schauspieler Anthony Bajon für die Hauptrolle verpflichten können. Der wirft sich mit Leib und Seele in die Rolle des gerechten, aber auch höchstproblematischen Gendarm. Überhaupt – darstellerisch gibt es bei Maldoror gar nichts zu meckern. Auch die komplette Machart, Inszenierung, Kamera und Musik – die eine extra Erwähnung verdient hat – all das ist schon wirklich höchst seriöses Filmemachen auf hohem Niveau. Dazu schafft Du Welz ein paar albtraumhafte Sequenzen, die dem Zuschauer lange im Gedächtnis bleiben dürften.

Allerdings – freudvoll ist das alles nicht. Maldoror ist finsteres No-Bullshit-Kino in seiner niederdrückendsten Form. Zwar einerseits beeindruckend, aber der Wunsch diesen Film ein zweites Mal sehen zu wollen, wird bei den allermeisten Zusehern wohl eher ausbleiben.

Dabei spielt natürlich auch die Laufzeit von 155 Minuten keine unerhebliche Rolle. Und ganz ehrlich – hier hätte man viel einsparen können. Das Gefühl, dass da gut und gerne 30 Filmminuten im Schneideraum hätten liegen bleiben dürfen, das geht auch bis zum Schluss nicht weg. So hinterlässt Maldoror gemischte Gefühle. Wer Bock auf dunkle europäische Thriller hat, kann definitiv einen Blick riskieren, sollte aber auch das nötige Sitzfleisch mitbringen.

Regie: Fabrice Du Welz, Drehbuch: Fabrice Du Welz und Domenico La Porta, Darsteller: Anthony Bajon, Alba Gaïa Bellugi, Alexis Manenti, Sergi López, Laurent Lucas, Filmlänge: 155 Minuten, gezeigt auf dem Slash Filmfestival 2024

Maldoror am Slash Filmfestival 2024