Und-Dann-Der-Regen-©-2012-Polyfilm

Und dann der Regen

6
Drama

In einem Talkessel umschlossen von der tiefgrünen Idylle der östlichen Anden liegt Cochabamba, die viertgrößte Stadt Boliviens, dem ärmsten Land Südamerikas. Als die Regierung in den 90er Jahren die Privatisierung des Wassers einleitet, können sich viele Familien das von einem multinationalen Konzern radikal verteuerte Wasser nicht mehr leisten. Selbst das Auffangen von Regenwasser wird untersagt. Doch die Bevölkerung setzt sich zur Wehr. Im Jahr 2000 kommt es zum offenen Aufstand – die Stadt verwandelt sich kurzzeitig in einen beängstigenden Kriegsschauplatz…

Der Wasserkrieg von Cochabamba, infolgedessen die Wasserversorgung wieder in öffentliche Hand überging, schrieb Geschichte. Um diese mutige Geschichte der Welt näher zu bringen, wählte die Regisseurin Icíar Bollaín einen eigenwilligen Film-im-Film Umweg. Sie erzählt uns von einem spanischen Filmteam, das sich in Cochabamba einquartiert, um im bolivianischen Hinterland ein historisches Epos über die Ankunft von Christoph Kolumbus in der neuen Welt zu drehen.

Dabei hat vor allem der hochambitionierte junge Regisseur Sebastián – gespielt von Gael García Bernal („Amores Perros“, „Science of Sleep“) – seine Vision klar vor Augen: Möglichst imposant, reich an Statisten und markerschütternd soll sein Film werden, um die grausame Wahrheit über die Goldgier der spanischen Konquistadoren, über die Versklavung und Abschlachtung der Eingeborenen sowie über deren tragischen Widerstand so eindringlich wie nie zuvor darzustellen.

Zwar liegt Bolivien weit entfernt vom tatsächlichen Ankunftsort des berühmten Entdeckers, dafür jedoch ist Cochabamba ein wahres Mekka für den Filmproduzenten Costa, denn hier lässt sich günstig drehen und die einheimischen Statisten arbeiten praktisch für umsonst. Alles scheint gut zu laufen, bis der indianische Hauptdarsteller plötzlich als Anführer sozialer Unruhen durch die Straßen marschiert und sich das Filmteam auf einen Schlag mitten im Wasserkrieg wiederfindet. Nun liegt es an Sebastián und Costa, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen…

Icíar Bollaín hat sich in ihrem aktuellen Film so einiges vorgenommen, denn sie montiert diese drei komplexen Geschichten – den Filmdreh, Kolumbus und den Wasseraufstand – zu einem dichten Geflecht und spannt dabei einen Bogen von der historischen Kolonialisierung Lateinamerikas zu einem der brisantesten Konflikte der Gegenwart: der Privatisierung eines lebensnotwendigen Rohstoffes. Zusammengeschweißt wird das Ganze durch die Erlebnisse des Filmteams, die wiederum Einblicke in die Schwierigkeiten von Dreharbeiten in einer scheinbar fremden Welt gestatten und dabei die Ethik sowie auch das Risikopotential des Filmemachens an sich thematisieren.

Spannend ist hier, neben der sich langsam steigernden Eskalation der Lage, der teilweise dokumentarischen Unmittelbarkeit und dem visuell eindrucksvollen Szenario, vor allem der herrschende Interessenkonflikt: Die einen kämpfen um ihr Wasser, die anderen um ihren Film – und beide Standpunkte wirken nachvollziehbar. Letztendlich geht es in allen drei erzählten Geschichten unweigerlich um die Frage, für was es sich zu kämpfen – und möglicherweise auch zu sterben – lohnt.

Abgesehen von dieser fesselnden Frage lässt Bollaíns Film dann aber doch ein wenig kalt. Dies mag daran liegen, dass den drei verstrickten Geschichten zu wenig Raum gelassen wurde, um im Einzelnen wirklich in die Tiefe gehen zu können. Auch die Protagonisten sind wohl etwas stereotyp geraten und der wundersame Wandel des Costa, nicht nur zur zentralen Figur des Films, sondern auch vom kaltblütigen Produzent zum fühlenden Mitmensch, wirkt etwas zu dick aufgetragen. Vor allem den Film-im-Film und die Freuden und Leiden des Filmemachens haben Truffaut, Fellini und zahlreiche andere schon eindringlicher und vielschichtiger in Szene gesetzt.

Alles in allem kratzt Und dann der Regen zwar an der Oberfläche unseres Empfindungsvermögens, wirklich in Erinnerung bleibt aber wohl nur das winzige Päckchen am Schluss des Films, dessen kostbarer Inhalt uns im letzten Augenblick dann doch noch tief zu berühren vermag, mit einer simplen und doch so essentiellen Botschaft, die den Blick fürs Wesentliche wieder freigibt: ein Fläschchen Wasser. 

Regie: Icíar Bollaín, Drehbuch: Paul Laverty, Darsteller: Gael García Bernal,Luis Tosar, Juan Carlos Aduviri, Karra Elejalde, Laufzeit: 104 Minuten, Kinostart: 23.03.2012