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The Sacrament

6
Horror

Wie die Kraft der Überzeugung in einem System der Unterdrückung auf grauenhafte Weise eingesetzt werden kann, zeigt Ti West in seiner auf wahren Begebenheiten beruhenden Pseudo-Doku.

Wenn einen die gesunde Skepsis eines lehrt, dann: was zu schön ist, um wahr zu sein, ist es meistens auch nicht. Mit Kritikfähigkeit und Kameraequipment ausgerüstet, reisen Sam (AJ Bowen), Jake (Joe Swanberg) und Patrick (Kentucker Audley), drei Reporter vom Medienkonzern Vice, in den südamerikanischen Urwald, um Patricks Schwester Caroline (Amy Seimetz), die sich einer Sekte angeschlossen hat, zu besuchen und die Zustände in der Gemeinschaft zu dokumentieren.

Unter der Führung eines Mannes, den alle „Father“ nennen (Gene Jones), wurde mit „Eden Parish“ dort ein von der Außenwelt abgeschotteter Ort des friedlichen Zusammenlebens geschaffen, der für alle Mitglieder Zuflucht vor den Repressionen der westlichen Zivilisation bieten soll. Zunächst scheint die Utopie tatsächlich zu halten, was sie verspricht, und alle interviewten BewohnerInnen bemühen sich redlich, den Außenstehenden die paradiesischen Bedingungen in der Kommune vor Augen zu führen, doch allmählich beginnt die Heile-Welt-Fassade zu bröckeln und darunter offenbart sich ein grausames System der Unterdrückung, das keinen Platz für Abweichung oder gar Ausstieg zulässt.

Ti Wests (The House of the Devil, The Innkeepers) Film beruht auf dem Massen(selbst)mord der Jonestown Sekte in den 1970ern, bei dem über 900 Menschen starben, vermeidet allerdings respektvoll das gern benutzte „based on true facts“ Label. Der Regisseur lässt sich Zeit für die Entwicklung der Atmosphäre und lässt bedrohliche und beunruhigende Elemente nur allmählich und gezielt durchsickern, sodass sich der Spannungsbogen langsam aufbaut, um sich erst am Schluss effektvoll zu entladen. Was als harmlose Erkundung alternativer Lebensweisen beginnt, schlägt dann plötzlich in ein Massaker um, das drastisch und eindringlich die unerbittliche Konsequenz einer nur scheinbar menschenfreundlichen, in Wirklichkeit aber grausam dogmatischen Ideologie vor Augen führt.

Als auf leise Beklemmung schließlich schreckliche Gewissheit und Panik folgen, büßt The Sacrament allerdings auch wieder einiges an der zuvor aufgebauten Stimmung ein, und dafür ist vor allem die Form des Films verantwortlich zu machen. Mit der Wahl, den Film im Found Footage Format zu drehen, hat West sich nämlich keinen Gefallen getan, die dadurch vermeintlich evozierte Realitätsnähe schafft es nicht, die damit einhergehenden Schwächen auszumerzen. Die Handkamera verpflichtet und nötigt West vor allem am Ende allzu bemüht konstruierte Wendungen und den Charakteren zu viele unlogische Entscheidungen auf, welche The Sacrament insgesamt einiges an Glaubwürdigkeit und Fesselungskraft kosten.

Der Cast, der größtenteils schon im Slasher You’re Next von Wests Kollegen Adam Wingard zusammen agiert hat, gibt sich zwar redlich Mühe, mag insgesamt aber nicht so recht überzeugen. Einzig Gene Jones besticht als charismatisch-doppelbödiger Sektenführer und sorgt mit offener Arroganz und kühl-berechnender Überzeugungskraft für die eine oder andere Gänsehaut. Den Anspruch auf Authentizität, der mittels Handkamera hergestellt werden soll, können letztlich weder das Drehbuch noch die Darsteller tragen, was The Sacrament alles in allem zu einer etwas halbgaren Sache macht, die zwar gute Ansätze mitbringt, in der Wahl der Form und in der Ausführung aber nicht überzeugen kann.

Regie und Drehbuch: Ti West, Darsteller: AJ Bowen, Joe Swanberg, Kentucker Audley, Amy Seimetz, Gene Jones, Kate Lyn Sheil, Filmlänge: 95 Minuten, magnetreleasing.com/thesacrament, gezeigt im Rahmen des /slash einhalb