Back to Black
“I’m not a feminist. I like boys far too much”, sagt eine fiktionalisierte Amy Winehouse (blass: Marisa Abela) in einer krampfigen Szene, die weniger über die sozialpolitische Haltung der Hauptfigur aussagt als über die patriarchalische Bias ihres gleichsam konventionellen und konservativen Biopics Back to Black.
Jenes ist das jüngste Exemplar einer endlosen Reihe Filmbiografien, die weibliche Persönlichkeiten mehr über Liebschaften definieren als über Fähigkeiten. Selbst, wenn diese so monumental waren wie die der durch ihren frühen Tod mit 27 Jahren endgültig zur Ikone avancierten Sängerin. Deren kraftvolle Stimme steht in Fifty Shades of Grey-Regisseurin Sam Taylor-Johnsons Inszenierung im Kontrast zu einer fragilen Psyche.
Deren Sehnsucht nach einem starken Beschützer – von Drehbuchautor Matt Greenhalgh anhand zweifelhafter Song-Auslegungen behauptet – erfüllt ihr apologetisch idealisierter On-Off-Lover und Gatte (Jack O‘Connell). Während der reale Blake Fielder-Civil sie an harte Drogen, die sie schließlich umbrachten, heranführte und intime Details der Boulevard-Presse verkaufte, eröffnet sein filmisches Pendant ihr formative Musikeinflüsse und erscheint als Opfer ihrer Wutausbrüche und toxischen Abhängigkeit.
Jene lässt Winehouse immer wieder trunken und tränenreich durch den Regen torkeln. Den so klischeehaft eingeschlagenen Pfad der Selbstzerstörung motiviert nicht etwa die beflissen verschwiegenen familiären Konflikte und soziale Ressentiments, sondern ein unerfüllter vorgeblicher Wunsch Hausfrau und Mutter zu sein.
Die kreative Karriere, die Greenhalghs männlichen Idolen in Control, Nowhere Boy und The Look of Love Erfüllung bringt, überfordert die paradoxe Protagonistin. Wenn sie sich das „Daddy‘s Girl“-Tattoo stechen lässt, gilt das als kleinmädchenhafte Verehrung ihres Taxifahrer-Vaters Mitch (Eddie Marsan) statt als ambivalente Hommage und Etablierung eines idiosynkratischen Styles.
Die Implikationen dessen rebellischer Retro-Referenz an Arbeiter- und Unterklasse, welcher die echte Winehouse regelmäßig klassistischem Spott aussetzte, ignoriert die Regisseurin, deren Filmfigur zum patriarchalischen Pin-up wird: eine lolitahaft-laszive Projektion hypersexueller Hilflosigkeit, die in Einklang mit der visuell und stilistisch gleichermaßen konformen Inszenierung verkündet, dass früher alles besser gewesen sei.
Regie: Sam Taylor-Johnson, Drehbuch: Matt Greenhalgh, Darsteller: Jack O’Connell, Marisa Abela, Eddie Marsan, Lesley Manville, Juliet Cowan, Bronson Webb, Harley Bird, Filmlänge: 122 Minuten, Kinostart: 11.04.2024