Mordsmann (c) 2023 Ernst Geiger, Edition A(2)

Mordsmann

Ernst Geiger hatte jahrzehntelang eine Leitung im österreichischen Bundeskriminalamt inne. In seiner langen Karriere war er nah dran an, bzw. ermittelte selbst in, einigen der aufsehenerregendsten Fällen, die es in der Republik je gegeben hat. Seit seiner Pensionierung im Jahr 2017 zieht es ihn immer wieder an den Schreibtisch, wo er manche dieser Fälle in packende Tatsachenromane verpackt. Sein neuester, dritter Roman trägt den Titel Mordsmann. Und darin geht es um die Ergreifung des berühmtesten Serienmörder Österreichs, Jack Unterweger.

Jack hatte ihr die Schönheit der Lust und der Körper gezeigt, bloß um ihr diese Lust wieder wegzunehmen, und Intimität zu einer Waffe gemacht, deren Wunden sie noch am ganzen Körper spürte.

Unterweger ist auch 30 Jahre nach seinem Ableben eine faszinierende Persönlichkeit. Etliche Bücher wurden über ihn geschrieben, Dokumentationen, sogar ein Spielfilm gedreht. Im letzten Jahr gab es eine mehrteilige Podcast-Reihe über ihn. Kurzum, das Interesse an Jack Unterweger reißt nicht ab. Das liegt auch daran, weil seine Geschichte so viel über uns selber erzählt. Unseren Voyeurismus, die Lust am Sensationellen, an Aufstieg und Fall schillernder Persönlichkeiten. Und dass Unterweger so ein genialer Manipulator war.

So führte ihn sein Weg von der Kleinkriminalität zum Mord. Im Zuchthaus entwickelte er plötzlich das Interesse an der Kunst. Er schrieb Gedichte und unter (vermutlich großer) Mithilfe den autobiografischen Roman Fegefeuer, der dann auch als Kinofilm adaptiert wurde. Er schrieb Theaterstücke, und wurde so zum gefeierten Underground-Star der österreichischen Kulturszene und Schickeria. Durch die Mithilfe und Fürsprache etlicher Prominenter kam es dann im Jahre 1990, nach 15 Jahren Haft, zu einer vorzeitigen Entlassung. Nur wenige Monate später hob eine Reihe an Prostituierten-Morden an: In Graz, in Wien, in Prag, in Innsbruck und in Los Angeles. Und immer war Jack Unterweger in der Gegend.

Sie konnte ihn zwar nicht mehr sehen, aber sie wusste, dass er dort stand, hinter dem Fenster, und sie beobachtete. Sie wusste, dass er da war. Er würde immer da sein.

Ernst Geiger zeichnet diesen Weg nach. Er erzählt von den dutzenden Frauenaffären die Unterweger hatte. Vom psychischen und auch körperlichen Missbrauch, den er an seinen oft sehr jungen Liebhaberinnen ausübte. Aber auch von der Faszination, die er ausstrahlen konnte, auf alle die ihm begegneten. Nach Geigers letztem, nicht minder spannenden Roman Goldraub, der den Diebstahl der Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum behandelte, ist Mordsmann ein weitaus düsterer Roman. Wie bei dem Thema nicht anders zu erwarten.

Geiger schreibt wie gewohnt flüssig und spannend. Man liest den Roman, obwohl man den Ausgang der Geschichte kennt, dennoch mit Begeisterung. Denn Ernst Geiger versteht es hervorragend die frühen 90er Jahre literarisch auferstehen zu lassen. Er ist nah dran an den vielen Figuren und Schicksalen. Nur wenn er versucht seine eigenen familiären Schwierigkeiten jener Zeit dazu zupacken, wird es mitunter etwas viel. Gegen Ende wäre es noch interessant gewesen, zu erfahren, wie es mit so mancher Persönlichkeit aus Jacks Umfeld danach weiterging. Doch Mordsmann beendet die Geschichte mit dem Ableben Unterwegers. Der Weg bis da hin war jedenfalls mal wieder ein beeindruckender Einblick in ein bedeutendes Stück österreichischer Kriminalgeschichte.

Mordsmann von Ernst Geiger, 462 Seiten, erschienen bei Edition A.

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