Frankenweenie
Die Aussicht auf ein neues Werk von Tim Burton bot über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg immer wieder Anlass zu großer Vorfreude – bis ihm eines grauen Tages die Fantasie doch ausgerechnet in dem entscheidenden Moment abhanden kam, als ein junges Mädchen namens Alice die Wunderlichkeiten des Wunderlandes neu entdecken sollte. Mehr als desillusionierend war es, den großen Stop-Motion-Meister im CGI-Taumel zu erleben und ihn unter einem Anfall von akuter Einfallslosigkeit an einem Kinderbuch-Stoff scheitern zu sehen, dessen schier endloses fantastisches Potential eigentlich ein wahres Freudenfest für einen wahnsinnigen Kreativkopf wie Tim Burton hätte sein sollen.
Nun ist wohl jedem großen Regisseur der ein oder andere Schandfleck in der Filmografie zu verzeihen, doch hieß es seitdem eher skeptisch abwarten, ob sich Burton mit neuen Projekten wieder rehabilitieren könne. Eine solche Chance nutzte er nun und wendete sich mit Frankenweenie nach vielen Jahren endlich wieder der Technik zu, die der gelernte Trickfilmkünstler und ehemalige Disney-Zeichner beherrscht wie wenige andere: Stop-Motion. Dabei erfüllte sich Burton selbst einen Wunsch, denn immer schon hatte er davon geträumt, den eigenen im Jahr 1984 realisierten gleichnamigen Kurzfilm, damals aus Budgetgründen nicht als Trickfilm gedreht, noch einmal neu und seiner ursprünglichen Vision entsprechend zu verwirklichen.
Frankenweenie erzählt die Geschichte einer großen Liebe. Denn das Herz des kleinen Viktor schlägt in erster Linie für seinen Hund Sparky. Außerdem interessiert er sich – zum Verdruss des Vaters – weniger für Baseball und mehr für Experimente auf dem Dachboden. Als Sparky bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt und Viktor an seinem Kummer verzweifelt, inspiriert ihn der Naturwissenschaftslehrer Mr. Rzykruski zu einer waghalsigen Idee. Mittels Blitzschlag holt er seinen Hund von den Toten zurück. Doch der kleine vierbeinige Frankenstein bleibt nicht lange unbemerkt und schon bald plündern Viktors Schulkameraden den Tierfriedhof – mit monströsen Folgen…
Dass Tim Burton eine Schwäche für die Horrorklassiker der 30er und 40er Jahre hat, daran lässt spätestens Frankenweenie keine Zweifel mehr. Und das ist auch – neben dem unschlagbar eigentümlichen Charme der Stop-Motion – die Stärke seines Films. Nicht nur die schwarz-weißen Bilder sowie der expressionistische Stil inklusive Licht- und Schattensetzung beschwören die Atmosphäre bekannter Werke von Lang oder Murnau wieder herauf. Auch entwickelt sich Burtons Film schon bald zur Halloween-Parade der Horror-Referenzen – von Frankenstein, Nosferatu, Van Helsing und Horrorfilm-Legende Vincent Price bis hin zu Godzilla und den Gremlins. In den Figuren, vor allem in der Optik von Viktors Klassenkameraden, präsentiert sich hierbei die bereits bekannte burton’sche Mixtur aus morbidem Grusel und parodistischer Komik von ihrer unterhaltsamsten Seite.
Vollends überzeugen kann Frankenweenie ein nicht mehr ganz so junges Publikum dann aber doch nicht. Das mag an einem Problem liegen, das in letzter Zeit wohl einigen Animationsfilmen zum Verhängnis wurde. Denn aufgrund all seiner Referenzen auf die Kinogeschichte richtet sich Burtons Film klar an Erwachsene, präziser noch an Filmkenner. Gerade für all diese Zuschauer, die sich an derartigen Verweisen erfreuen können, bleibt Frankenweenie jedoch unverkennbar ein kinderfreundlicher, zahmer Disney-Film, dessen Handlungsverlauf viel zu einfach gestrickt ist, um reizvoll zu bleiben.
Das Ergebnis ist aufgrund der Stilmittel, des unaufdringlichen, liebenswürdigen Humors und der Herzlichkeit der Geschichte ein durchaus sehenswerter Film. So ganz hat Tim Burton seine Fantasie mit Frankenweenie jedoch noch nicht wieder gefunden. Es bleibt ein Schritt in die richtige Richtung, möglicherweise zurück zu dem Burton, den wir schätzen und lieben.
Regie: Tim Burton, Drehbuch: John August, Tim Burton, Sprecher: Catherine O’Hara, Martin Landau, Martin Short, Winona Ryder, Laufzeit: 87 Minuten, Kinostart: 24. 01. 2013