Tenet-(c)-2020-Warner-Bros.(2)

Tenet

7
Sci-Fi Action

Christopher Nolan zwischen Genie und Wahnsinn, Spektakel und Fragezeichen, vorwärts und rückwärts.

Versuchen Sie es nicht zu verstehen. Fühlen Sie es.“ Der Plot von Tenet in einem Satz, entnommen als Zitat des Films. Der namenlose Protagonist (John David Washington) macht sich nach fehlgeschlagener Mission, die sich als bestandener Test herausstellt, daran die Welt vor dem „temporalen“ Holocaust zu retten. Irgendwann in der Zukunft wurde eine Technologie erfunden, welche die Linearität der Zeit umkehren kann. Das beginnt bei Pistolenkugeln, die dadurch rückwärts fliegen können und endet bei ganzen Armeen, die zwar vorwärtslaufen, sich aber durch eine Welt bewegen, die zurückgespult wird. „Schon Kopfschmerzen?“, nochmals direkt entnommen. Am besten lässt sich Tenet mit einem Sci-Fi James Bond vergleichen. Wenn es so etwas geben würde. Der Protagonist reist allein, später mit Sidekick Neil (Robert Pattinson), von Großstadt zu Großstadt bis er Bösewicht Andrei Sator (Kenneth Branagh) begegnet und ihn dann zur Strecke bringen muss. Seine Ehefrau Kat (Elizabeth Debicki) gerät dabei in Gefahr und wechselt die Seiten. Klingt nicht kompliziert, ist es aber. Denn ab der Mitte des Films beginnt sich der Protagonist selbst rückwärts durch die Zeit zu bewegen und reist an Orte, die in der ersten Hälfte des Films gezeigt wurden. Das sieht zwar cool aus, sorgt aber für mächtig Verwirrung.

 

Über die Jahre hinweg haben sich die Fronten und Meinungen zu Regisseur Christopher Nolan verhärtet. Die einen lieben ihn dafür, dass er zu einem der wenigen Filmemacher zählt, der originelle Ideen, inmitten eines Zeitalters der Franchises à la Marvel und Star Wars, zu großen Blockbuster-Streifen machen kann. Die anderen hassen ihn, weil seine pseudo-wissenschaftlichen Plots lange Expositionen benötigen, um dann trotzdem unlogisch zu bleiben. Tenet ist nicht der Film, der Frieden zwischen den beiden Lagern schaffen wird. Sowohl der einen als auch der anderen Seite wird man in ihren Argumenten recht geben können. Ja, Nolans elftes Werk ist bombastisch und zu jeder Sekunde merkt man, dass es über 200 Millionen Dollar gekostet hat. Auf der anderen Seite: ja, man wird beim ersten Mal schauen nicht sehr viel verstehen und auch beim zweiten Mal noch einige Fragezeichen zwischen den Credits sehen. Ja, der Sound ballert von Sekunde eins und lässt die Herzen der Zuseher schneller schlagen. Und ja, leider ist zeitweise das Dröhnen in manchen Szenen so laut, dass man Schwierigkeiten hat, den sowieso schwer verständlichen Dialogen zu folgen.

Die Action Sequenzen sind so groß und eindrucksvoll, dass einem nicht nur einmal der Mund offenbleibt. Wie sehr kann mich jedoch eine Endschlacht begeistern, wenn ich den Überblick verliere und eigentlich nicht genau weiß, wer gerade was, wieso und gegen wen macht. Manchen Zusehern wird es bestimmt Spaß machen die nächsten Wochen damit zu verbringen, sich Theorie- und Erklärvideos auf YouTube anzuschauen. Andere werden genervt sein, dass sie nach stolzen 151 Minuten noch mehr Zeit investieren müssten, um die Handlung vollends verstehen zu können. Wo es nur wenig Gegenargumente geben wird, ist, dass es schwer fällt eine emotionale Bindung zu den Charakteren aufzubauen. Bedingt dadurch, dass auch die Protagonisten untereinander wenig Zeit haben sich näher zu kommen. John David Washington ist ein klassischer Actionheld der durchgehend cool ist, dadurch allerdings wenige Ecken und Kanten bereithält, die seinem Charakter mehr Tiefe verleihen würden. Robert Pattinson und Elizabeth Debicki haben zwar gute Momente, bleiben aber wie Antagonist Kenneth Branagh blass.

Nach der langen COVID19-bedingten Kino Pause wurden Tenet und Christopher Nolan als Retter des Kinos heraufbeschworen. Ein großer IMAX Saal wird in den kommenden Monaten bestimmt nicht besser in Verwendung kommen, ein Meisterwerk sollte man jedoch nicht erwarten. Christopher Nolan macht Blockbuster wie man sie heutzutage nur selten sieht und das ist lobenswert. Wenn man sich etwas wünschen dürfte, wäre es, dass er mehr Zeit mit der Entwicklung einer einnehmenden Geschichte als nur mit einem komplexen Konzept verbringen würde. Vielleicht war das allerdings auch der Masterplan für die Rettung des Kinos: Ein Film, der so kompliziert ist, dass man ihn sich gleich zweimal ansehen muss.

Regie und Drehbuch: Christopher Nolan, Darsteller: Elizabeth Debicki, Robert Pattinson, John David Washington, Aaron Taylor-Johnson, Kenneth Branagh, Michael Caine, Filmlänge: 151 Minuten, Kinostart: 26.08.2020