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The Neon Demon

8
Drama

Mit seinem neuen Film The Neon Demon polarisiert Nicolas Winding Refn erneut das Publikum. Liegt es an der Oberflächlichkeit des Films oder an der Schilderung des gesellschaftlichen Schönheitswahns?

Jesse (Elle Fanning) kommt mit dem Traum einer großen Modelkarriere nach Los Angeles und es dauert nicht lange und die ganze Modewelt liegt ihr zu Füßen. Mit Ausnahme ihrer Konkurrenz natürlich, die so wahnhaft besessen ist von Schönheit im Allgemeinen und dem Vorankommen ihrer Karriere im speziellen, dass sie alles tun um ihr Ziel zu erreichen. Außer Jesse scheint in der Modebranche niemand Skrupel zu kennen. Was auch wenig verwunderlich ist, wird doch bald deutlich, dass obwohl die Fotografen und Modedesigner von Jesse schlichtweg begeistert sind und sie ihnen den Atem raubt, auch sie nur ein austauschbares Gesicht, man möchte fast sagen Objekt, unter vielen ist. Da wird auf der einen Seite die perfekte, natürliche Schönheit, die Jesse ausstrahlt, angepriesen als das höchste Gut und die bedeutendste Qualität der Menschheit, während auf der anderen Seit niemand wirklich von Relevanz zu sein scheint.

Sicherlich, ein großer Vorwurf, den sich The Neon Demon wohl gefallen lassen muss, ist die Oberflächlichkeit des Films. Damit ist nicht nur die Handlung und ganz besonders die Figuren gemeint, sondern überhaupt das gesamte Werk. Refns neues Drama besitzt nicht die visuelle (und physische) Gewalt von Bronson, ist nicht die tiefgehende Charakterstudie wie Drive oder entwickelt den atmosphärischen Sog von Only God Forgives. Nein, The Neon Demon ist ein Hochglanzprodukt, genau wie die Modemagazine für die sich Elle ablichtet, genau wie die Modeschau, deren Highlight sie darstellt, genau so bleibt auch der Film ein rein oberflächliches Tableau einer von Schönheit besessenen Welt. Aber eines, das funktioniert. Denn es macht durchaus Sinn die Geschichte ebenso oberflächlich zu erzählen, wie es die dargestellten Figuren und deren Umgebung nun einmal sind. Die bis ins Klischeehafte übersteigerten Dialoge und Charaktere passen perfekt zu ihrer Umgebung. Dadurch ergibt sich eine herrliche Verdoppelung, die oftmals zu bösem, schwarzem Humor führt.

Überhaupt spielt The Neon Demon stark mit Verdoppelungen. Zeigt er ein Fotoshooting, so scheint auch die filmische Aufnahme selbst wie ein Standbild, fehlt es den Figuren an Emotionen, so bleibt auch der Film unterkühlt und dringt nie tiefer in die Gedanken und Gefühle der Figuren ein, sie alle sind eben genau das, was sie zu sein scheinen, es ist nichts verborgen, alles was diese Charaktere ausmacht, ist ihr Aussehen, alles was in der Handlung zählt, ist das Aussehen. Gleichzeitig eben entsteht dadurch ein feiner, böser Humor, der aus The Neon Demon den wohl mit Abstand lustigsten Refn-Film bisher macht. Dabei gelingt es ihm sogar den Witz auf einer vorwiegend bildlichen Ebene zu kreieren, weniger über Dialogwitz.

Was jedoch schwer fällt, ist die Involvierung des Zuschauers in den Film. Hat man selbst wenig Interesse an der Modewelt, oder spezifischer an dem von der Gesellschaft (und der Modebranche) implizierten Schönheitsideal, dem alles und jeder anzustreben hat, dann ist es fast unmöglich die ganze Laufzeit über bei der Sache zu bleiben. Die Geschichte geht einem nicht unter die Haut, die Figuren lassen einem kalt und die Thematik ist einem, schlimmsten Falls, schlichtweg egal. Dadurch kommt es schon vor, dass sich die Handlung in die Länge zieht und der Film auf der Stelle tritt. Überhaupt ist The Neon Demon wohl auch Refns bisher spannungsärmstes Werk und läuft überaus unaufgeregt vor den Augen des Publikums ab. Auch wenn inhaltliche und thematische Erinnerungen an Black Swan deutlich werden, so fehlt es Refns Film doch an der nötigen Wucht, damit das Werk für den Zuschauer von inhaltlicher Bedeutung ist. Gerade in der Hinsicht ist ihm Aronofskys Charakterstudie über Perfektion und Besessenheit um einiges überlegen.

Wer also denkt, dass Refn nach seiner metaphorischen Studie über Schuld und Sühne von Only God Forgives wieder zurückkehrt in die Bahnen eines eher Mainstreamtauglichen Machwerks wie Drive, der wird schwer enttäuscht werden. Dabei sollte es nicht verwundern, wenn man sich seine Filmografie ansieht überwiegen doch deutlich die von Alejandro Jodorowsky und David Lynch inspirierten Filme (Fear X, Walhalla Rising, Only God Forgives), als die stringenteren Geschichten (Bronson, Drive – wobei er selbst bei Bronson nicht unbedingt einen Genretypischen Thriller abliefert und stark mit verschiedenen Erzähl- und Realitätsebenen spielt). Die Eingangs gestellte Frage, wieso Refn mit The Neon Demon das Publikum spaltet, ist eigentlich zweitrangig (und deren Beantwortung wohl eine Kombination vieler der erwähnten Faktoren), viel wichtiger ist eigentlich die Tatsache, dass er es tut und damit dem Publikum die Gelegenheit gibt einen Film zu sehen, der auch nach seinem Ende noch sehr lebhaft im Gedächtnis ist und für Diskussionen sorgt. Alleine das ist eine Rarität, ist doch der Großteil des heutigen Kinopublikums genau so abgestumpft wie Jesse und ihre Modelkollegen.

Regie: Nicolas Winding Refn, Drehbuch: Nicolas Winding Refn, Mary Laws, Polly Stenham, Darsteller: Elle Fanning, Jena Malone, Bella Heathcote, Abbey Lee, Keanu Reeves, Christina Hendricks, Filmlänge: 110 Minuten, Kinostart: 23.06.2016, theneondemon.com