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Nicolas Winding Refn – Gewalt als Bild eines zerrissenen Inneren

Wortkarge Protagonisten, abrupte Gewaltausbrüche und das Imitieren fremder Stile. Das sind die Merkmale eines typischen Nicolas Winding Refn-Streifens. Obwohl er sich stets stark an der Handschrift anderer Filmemacher anlehnt, gelingt es ihm dennoch seinen eigenen Stil zu kreieren und steht spätestens seit Drive für anspruchsvolles und gleichzeitig unterhaltsames Genre-Kino.

Betrachtet man sein bisheriges Schaffen, widmet er sich vorwiegend dem Crime- und Gangster-Genre – mit der großen Ausnahme von Valhalla Rising waren alle seine Filme bisher in dem zwielichtigen Milieu des Verbrechens angesiedelt oder anders gesagt: sehr oft spielte das Verbrechen eine prominente Rolle in seinen Werken. Den Anfang bildete natürlich Pusher und die über zwei Fortsetzungen zur Trilogie erweiterte Serie. Bereits hier waren die essenziellen Ingredienzien eines typischen Refn-Films vorhanden, das beweist aber auch gleichzeitig, dass sich bei ihm der Stil niemals der Substanz und der Bedeutung seiner Filme unterordnet oder gar zurücknimmt. Zerrüttete, verstörte, isolierte und manchmal sogar sensible Figuren stehen stets im emotionalen Zentrum seiner Geschichten und veranschaulichen somit einen gelungenen Kontrast zu der harten, schonungslosen und brutalen Welt des Verbrechens.

Obwohl bereits die Pusher-Trilogie ein vielversprechender Start war und er mit Bleeder seinen Stil konsequent weiter ausbaute, kam er mit Fear X ein wenig auf Abwege und versuchte sich an einem Mystery-Thriller. In jedem Kader dieses Filmes ließ sich der Einfluss des großen David Lynch spüren. Refn orientierte sich stark am Meister des Mysteriösen und Surrealen und versucht seine eigene Vorliebe für einsame Hauptfiguren darin einzubringen. Ein durchaus lobenswerter Versuch, doch leider greift das Konzept nicht und man fühlt sich oft (viel zu oft) an eine schwache Kopie eines Lynch-Films erinnert. Dennoch muss eingeräumt werden, dass auch Fear X seine interessanten Ansatzpunkte besitzt und alleine dadurch einen gewissen Mehrwert aufweist.

Die größte Aufmerksamkeit generierte Refn jedoch sicherlich mit Bronson (Link zum Trailer), seiner Verfilmung der Geschichte des britischen Gefängnisinsassen Michael Peterson alias Charles Bronson. Auch hier weist die Optik seines Films starke Ähnlichkeiten mit der eines anderen Meisters seines Fachs auf, nämlich Stanley Kubrick. Die Geschichte und seine Hauptfigur stehen Refns filmischer Sentimentalität und seinem sensiblen Gespür jedoch näher als jene in Fear X, wodurch es ihm möglich ist, den Film anzureichern und ihm mehr einzuverleiben als lediglich eine beeindruckende Bildsprache. Denn in Bronson zeigt sich sehr deutlich seine Fähigkeit einen ambivalenten Protagonisten zu erschaffen und dessen komplexes Innenleben mittels gekonnter Inszenierung in ausdrucksstarke und prägnante Bilder zu übersetzen. Dies gelingt ihm nicht zuletzt dank der grandiosen schauspielerischen Leistung seines Hauptdarstellers Tom Hardy, der hier womöglich die bisher beste Darbietung seiner Karriere abliefert.

Das in Bronson zu Tage tretende Konzept, größtenteils mittels Bilder und abrupten Gewaltausbrüchen das vielschichtige Innere seiner Hauptfigur darzustellen und zu vermitteln, nimmt mit Valhalla Rising weiter zu, wenn er es nicht sogar auf die Spitze treibt. Nicht nur der Gedanke eines wortkargen Protagonisten wird hier wörtlich genommen, sondern auch der sparsame Umgang mit Dialogen. Leider wurde der Film fälschlich als Vikinger-Epos bezeichnet und eingeordnet, was der Wahrheit jedoch etwas fern liegt. Valhalla Rising ist so wenig ein actionreiches Epos wie Conan, der Barbar eine dramatische Leidensgeschichte eines Waisenkindes bis zum Erwachsenenalter ist. Refn ringt seinem Hauptdarsteller Mads Mikkelsen eine stoische, aber nicht minder beeindruckende Leistung ab. Zusätzlich orientiert er sich diesmal stark am visuellen Stil Terrence Malicks, ohne jedoch auf dessen spirituelle und ätherische Schiene abzugleiten. Das erstaunlichste ist jedoch die ungeheure Sogwirkung, die Refn mit seiner Inszenierung erzeugt und wie es ihm gelingt, die innere Zerrissenheit seines schweigsamen Helden fast ausschließlich durch metaphorische Bilder zu unterlegen und wiederzugeben.

Sein bisher letzter und mit Sicherheit bekanntester, weil internationalster Film Drive (zur Kritik) ist ebenso sein klarster und vor allem in Hinblick auf seinen Stil eigenständigster Streifen. Abermals ist es die komplexe, fast kindlich naive Hauptfigur, die im Mittelpunkt der Bilderzählung steht und eintaucht, in eine Gewaltspirale, aus der es für ihn kein entkommen mehr gibt. Der namenlose Fahrer ist ein, von der Gesellschaft derart isoliertes Individuum, so dass er nur mehr zu extremen Gefühlen, schwankend zwischen zwei Polen fähig ist. Wenn er sich in seine Nachbarin verliebt, dann ist es fast die Schwärmerei eines Schuljungen. Wenn er Gewalt anwendet, dann mit einer derart brutalen Inbrunst, die daran zweifeln lässt ob er noch im Stande ist, seine Emotionen zu kontrollieren. Auch wenn Drive anderen Produkten von Filmemachern Nahe steht oder ähnelt, so beschreitet Refn hier durchaus vorwiegend eigenes Terrain und verlässt sich ganz auf sein persönliches Gespür für Tempo und Erzählung. Nebenbei scheint er mit dem für die Rolle perfekt besetzten Ryan Gosling (der hier weniger spielt, als vielmehr anwesend ist) einen neuen Partner vor der Kamera gefunden zu haben.

Auch in Nicols Winding Refns neuem Film Only God Forgives, der wieder einmal im Verbrecher-Milieu passiert und einen kleinkriminellen Drogenschmuggler auf Rachefeldzug schickt, spielt Gosling die Hauptrolle und damit auch geschickt gegen sein aufkeimendes Image des Sunnyboys an. Noch ist nicht viel über die Geschichte bekannt, aber aus Refns bisherigem Schaffen zu schließen, wird es auch hier wieder zu abrupten Gewaltausbrüchen kommen, die die innere Zerrissenheit seiner Figuren darstellt und dank einer gekonnt inszenierten Bildsprache ihre komplexen Dimensionen offenbart.