Escape from New York
Manhattan, 1997. Nach dem dritten Weltkrieg und kurz vor dem entscheidenden Friedensgipfel der drei Kriegsparteien China, Sowjetunion und USA stürzt die Maschine des amerikanischen Präsidenten über der New Yorker Insel ab.
Das Manhattan seit dem sprunghaften Anstieg der Kriminalitätsrate in den Vereinigten Staaten ein vom Festland abgeschirmtes und schwer befestigtes Hochsicherheitsgefängnis ohne ansässige Zivilisten, Wärter und Hoffnung auf Rückkehr ist, verkompliziert die geplanten Rettungsmaßnahmen natürlich ungemein. Polizeikommissar Hauk (Lee Van Cleef) setzt ein letztes ihm zufällig zur Verfügung stehendes Mittel ein: Den abtrünnigen, nun berühmt-berüchtigten ehemaligen Special Forces-Soldaten Snake Plissken (Kurt Russell), der mit einer List und Aussicht auf vollständige Begnadigung zur Rettung des Präsidenten auf die Insel geschickt wird. Die Mission erweist sich angesichts der chaotischen Zustände und der gewaltbereiten Einwohner Manhattans aber auch für die hardgesottene Legende als außerordendliche Herausforderung und Lauf gegen die Zeit.
Mit John Carpenters meisterhaften Werk Escape from New York zeigt das Filmmuseum ein erstes von vielen Highlights der achtziger Jahre (zur Vorschau). Carpenter, der auch als “Master of Horror” bekannt ist, beweist mit seiner 1981 erschienenen Vision eines dystopischen Polizeistaates, das er auch Genre-übergreifend erfolgsträchtige Stoffe umsetzen kann. Mit einer glaubwürdigen, detaillierten und ebenso gekonnten Umsetzung schuf der Regisseur nicht nur ein Werk, an dem sich bis zum heutigen Zeitpunkt viele Andere messen lassen müssen, sondern auch einen entscheidenden, Phantasie-beflügelten Grundbaustein für den Autor William Gibson, der mit seinem 1984 veröffentlichten Sci-Fi-Roman Neuromancer das Cyberpunk-Genre begründete.
Damals wie heute bleibt allerdings anzumerken, das Escape from New York seinen Kultstatus redlich verdient – und sei es nur auf Basis der großartig verwirklichten Umsetzung einer düsteren Atmosphäre, die man in dieser Form bisher nur selten zu Gesicht bekam. Gedreht in einem zuvor von schweren Bränden verwüsteten East St. Louis (mit Ausnahme eines On-Location Drehs auf Liberty Island, NYC), schafft Carpenter eine perfekte Illusion einer trostlosen, von Chaos und Plünderungen heimgesuchten Gefängnisinsel am Rande des Abgrundes.
In der Wiege seines Erfolges mit Halloween konnte Carpenter einen zwei Filme umfassenden Deal mit der Produktionsfirma AVCO-Embassy Pictures abschließen, der ihm – allerdings mit einem Mini-Budget von sechs Millionen US-Dollar – die Umsetzung seines bisher aufwändigen Science-Fiction Actionfilms ermöglichte, der sich schlussendlich zu einem der erfolgreichsten jenes Jahrzehnts entwickeln sollte.
Auch mit der Besetzung von Kurt Russell, der in weiterer Folge seinen eigenen Kultstatus mit den beiden Carpenter-Meisterstücken Escape from New York und The Thing in nachfolgenden Jahr ausbauen sollte, beweist der Regisseur sein Gespür (und setzte sich dabei gegen die Besetzungwünsche der Geldgeber durch): In der Rolle des wortkargen, abgebrühten und gefallenen Anti-Helden Snake verkörpert der Schauspieler den enigmatischen Kultcharakter gekonnt, ohne die Klischees der achtziger-Jahre-Actionhelden Überhand nehmen zu lassen. Mit Nebendarstellern wie Harry Dean Stanton als verschlagenem Mastermind Brain, Gaststar Ernest Borgnine in der Rolle des vermutlich letzten (Molotowcocktail werfenden) Taxifahrers in Manhattan und Isaac Hayes als Anagonisten The Duke (inklusive Cadillac mit jeweils einem Kronleuchter über jedem Scheinwerfer) vervollständigt Carpenter zudem kompetent seine Schauspielerriege.
Escape from New York schafft es, trotz technischer Spielereien und überwältigender Szenerien nicht als rein bombastisches Blendwerk Eindruck zu hinterlassen, sondern auch mittels bissigen Dialogen, tollen Schauspielleistungen, ebenso systemkritisch wie auch ironisch zu verstehenden Verweisen und natürlich mit dem gewohnt spartanischen, aber dadurch umso eingängigeren Carpenter-Synthie-Soundtrack seinen Platz als Kult-Sci-Fi-Werk in der Filmgeschichte gerecht zu werden.
Regie: John Carpenter, Drehbuch: Nick Castle, John Carpenter, Darsteller: Kurt Russell, Lee Van Cleef, Harry Dean Stanton, Ernest Borgnine, Donald Pleasence, Isaac Hayes, Laufzeit: 98 Minuten
Im Zuge der „The Real Eighties„-Programmschiene im Filmmuseum gezeigt