Ein kleiner Held (c) 2021 Fjodor M Dostojewski, Penguin Verlag(2)

Ein kleiner Held

Die drei Erzählungen in Ein kleiner Held zeigen den großen russischen Schriftsteller Fjodor Dostojewski von einer ungewohnt lockeren Seite.

Den Anfang macht die Erzählung Roman in neun Briefen. Angeblich innerhalb einer Sitzung von Dostojewski geschrieben, geht es hier um den Briefverkehr zweier Bekannter. Ihre Unterhaltung steckt voller Missverständnisse und Fehlkommunikation. Die Briefe steigern sich immer mehr und arten letztlich sogar in Betrug aus. Roman in neun Briefen ist die kürzeste Erzählung und ist ein gelungener Einstieg, humorvoll und unterhaltsam. Obwohl nicht so psychologisch und emotional Dicht wie die bekannteren Werke von Dostojewski, gelingt es ihm sogar in dieser kurzen Form ein Psychogramm seiner Hauptfiguren zu entwerfen. Es ist zwar knapp und einfach gehalten, aber dennoch zeigt es ihn als ein Meister der Figurenentwicklung.

In den Augen aller dieser schönen Damen war ich immer noch ein kleines, unentwickeltes Wesen, das zu liebkosen ihnen manchmal Vergnügen machte, und mit dem sie wie mit einer kleinen Puppe spielen konnten. Besonders eine von ihnen, eine entzückende Blondine mit so üppigem, dichtem Haar, wie ich es nach her nie wieder gesehen habe und wahrscheinlich nie wieder zu sehen bekommen werde, hatte sich, wie es schien, vorgenommen, mir keine Ruhe zu gönnen.

Weiter geht es mit Die Sanftmütige. Dostojewski selbst bezeichnet diese Geschichte als “phantastisch”, was er aber nicht auf den Inhalt, sondern die Form der Erzählung bezieht. Es geht um den Selbstmord einer jungen Frau. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des um einige Jahre älteren Ehemannes der Verstorbenen. Das besondere an Die Sanftmütige sind das Feingefühl und die starke (aber nicht kitschige) Emotionalität, mit der Dostojewski sich dem Thema Selbstmord nähert. Das phantastische an der Erzählperspektive wiederum ist, dass der Autor den Ehemann der toten Frau selbst zu Wort kommen lässt. Und zwar so, als würde ein Tonbandgerät die Erinnerungen und Eindrücke und Gedanken des Ehemannes direkt aus seinem Kopf heraus aufzeichnen.

Den Abschluss macht die titelgebende Erzählung Ein kleiner Held. Vor allem hier zeigt sich Dostojewski von seiner humorvollen Seite (dabei darf man auch seinen großen Romanen durchaus einen gewissen Sinn für Humor attestieren). Erzählt wird die Geschichte eines kleinen Jungen, der sich in eine erwachsene Frau verliebt. Obwohl klar ist, dass er viel zu jung für die Angebetete ist, hält das den Jungen nicht ab. Leider deutet er die Anzeichen und Anspielungen der Frau vollkommen anders. Ein kleiner Held ist in gewisser Weise eine herrliche Verwechslungskomödie. Und zeigt gleichzeitig auf, wie unterschiedlich die verschiedenen Wahrnehmung von Menschen sein können. Der Erzählband Ein kleiner Held zeigt eindrucksvoll, dass Dostojewski auch durchaus ein Meister der kurzen Form war.

Ein kleiner Held von Fjodor Dostojewski, 208 Seiten, erschienen im Penguin Verlag.

Ein kleiner Held