Antichrist-©-2009-MFA-FilmDistribution

Antichrist

7
Psycho-Drama

Dogma 95 Mitbegründer Lars von Trier hat nach etwas längerer Schaffenspause erneut ein Werk abgeliefert, das für Schlagzeilen sorgt. Mit seinem umstrittenen Horrorthriller Antichrist schockierte und faszinierte der exzentrische, dänische Filmemacher (Dogville, Dancer in the Dark) nicht nur das Publikum der letztjährigen Filmfestspiele von Cannes.

Laut einem Interview aus dem Presseheft, das anlässlich der Vorab-Vorführung von Antichrist ausgeteilt wurde, befand sich Regisseur Von Trier bevor bzw. während der Produktion des Filmes in einer tiefen Depression, die er mit dem Schaffensprozess überwinden wollte (und dieses Ziel vermutlich auch erreicht hat) – am Ergebnis könnte so mancher Zuseher sicher problemlos die Auswirkungen dieser psychischen Niedergeschlagenheit feststellen. Obwohl das Gesamtwerk des dänischen Filmemachers bisher eigentlich von filmischer bzw. bildlicher Reduktion durchzogen ist, wurde bei Antichrist ein gänzlich neuer Ansatz präsentiert: Opulente Sequenzen mit akribisch inszenierten Kameraeinstellungen und detailreichen Schauplätzen ermöglichen eine neue Sichtweise hinsichtlich der Qualitäten des Regisseurs, der offenbar sein eigenes Reglement durchbrechen wollte.

Doch wo die Optik mehr auf ein in Richtung Mainstream tendierendes Zielpublikum zugeschnitten ist, setzt der Regisseur eine klar dem Arthouse-Kino-verschriebene Handlung entgegen: Ein nicht näher benanntes Ehepaar (Er: Willem Dafoe, Sie: Charlotte Gainsbourg) verlieren durch einen unglücklichen Unfall ihr gemeinsames Kleinkinds, woraufhin Sie in Trauer, Depression und Schuldgefühlen zu ertrinken scheint. (Un-) Glücklicherweise ist Er Psychiater und schickt sich natürlich an, mittels einer Therapie einen Ausweg aus der hoffungslosen Situation herzustellen. Mit einer Abkehr aus der gewohnten Umgebung hin zu einer abgelegenen Waldhütte sowie dem Verzicht auf jegliche Medikation versucht Er seine Frau über ihre Seelenqual hinweg zu führen, was mit der Zeit allerdings in einem fatalen Kreislauf aus Sex, Gewalt und mystischem Wahn zu enden scheint.

Als Skandalfilm verschrien vom oftmals überraschend prüden Filmpublikum der Filmfestspiele von Cannes, vermag Von Trier dem geneigten Kunstfilmliebhaber durchaus einiges wertschätzungswürdiges zu bieten. Die schauspielerischen Leistungen von Defoe und der mit der silbernen Palme ausgezeichneten Charlotte Gainsbourg überzeugen auf eine bemerkenswerte Art und Weise, nicht ohne Grund wird Antichrist zudem aufgrund der expliziten Inhalte als Horrorfilm gehandelt. Abseits der körperlichen Exzesse, die der Film von Beginn an in aller Bildlichkeit zur Schau stellt, ist auch das surreale, bedrückende Setting von erstklassigem Ausmaß: die häufigen Zeitlupensequenzen werden großzügig ausgekosten und die Wälder Nordrhein-Westfalens, die als Schauplatz dienen, wurden sicherlich noch nie in derartiger Pracht einem Leinwandpublikum vorgeführt. Als Geschmacksfrage stellt sich der mythologische Hintergrund der Geschichte heraus: von einem sprechenden Fuchs bis hin zur Unterteilung des Films in mehrere, bedeutungsschwanger betitelte Kapitel wird sowohl Kritikern als auch Fans des Filmemachers genügend Material für anregende Diskussionen geboten; die latente Frauenfeindlichkeit, die Von Trier immer wieder unterstellt wird, lässt sich allerdings nicht ausfindig machen. Die „Special Edition“ DVD vermag leider kaum Besonderheiten zu bieten, mehr als die üblichen Making-Of Featurettes, Interviews, Trailer und einem Audiokommentar des Regisseurs findet sich in der 2-DVDs enthaltenen Edition nicht – das vorzufindende Material ist allerdings hinsichtlich des aufwühlenden Filmes sicherlich wert- und gehaltvoll für Interessierte.

Originaltitel: Antichrist, Regie: Lars von Trier, Drehbuch: Anders Thomas Jensen, Darsteller: Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe,  Laufzeit: 104 Minuten, DVD-Release: 18.03.2010