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Get Out

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Horror-Satire

Gute Satire und wirkungsvoller Horror haben eines gemeinsam: Sie wurzeln in der Realität. Ihre auf den ersten Blick oft unwahrscheinlichen Szenarien sind auf den zweiten Blick keineswegs so absurd oder längst verstörende Wirklichkeit.

Der Amtsantritt der Trump-Administration ist nur eines der jüngsten Beispiele dafür, das Jordan Peeles intelligentem Schocker eine weitere Ebene realpolitischer Doppelbödigkeit verleiht. Der Regisseur und Drehbuchautor beschwört den buchstäblich wahren Schrecken meisterhaft in seinem hintergründigen Horrordebüt, das ebenso geschickt mit den Emotionen der Zuschauer spielt wie mit Elementen der Klassiker, die es inspirierten. Das sind an erster Stelle Ira Levins The Stepford Wives und Rosemary’s Baby, die das Grauen reaktionärer Rollenbilder verarbeiten.

 

Mit einer ähnlichen Mischung aus Beklemmung und Ironie widmet sich Get Out der Emanzipation einer anderen historisch unterdrückten Gruppe. Peeles Story lebt von Paranoia, doch es ist nicht die des schwarzen Hauptcharakters Chris (Daniel Kaluuya), sondern der um ihre Vormachtstellung bangenden Weißen. Die WASP-Familie, mit der es der junge Fotograf zu tun bekommt, ist die Quintessenz moderner Rassisten: eine verlogene weiße Elite, die sich ob ihrer angestammten Privilegien ziert, aber fanatisch daran festhält.

Die Verwandten und Bekannten von Chris‘ Freundin Rose (Allison Williams) verraten ihre Ressentiments in jovialer Begeisterung für Obama und Tiger Woods. Dahinter lauert die Panik vor sozialem Statusverlust. Die Indiskretion der Pseudo-Liberalen ist kein Fauxpas, sondern eine perfide Taktik, um Beleidigungen auszuteilen.

Auf wessen Seite in diesem Milieu das Gesetz steht, machen scheinbar beiläufige Momente wie eine Unfallmeldung unmissverständlich klar. Schwarze wie Hausmädchen Georgina (Betty Gabriel) und Gärtner Walter (Marcus Henderson) dienen dem Klüngel, der bei Roses‘ Eltern Dean (Bradley Whitford) und Missy (Catherine Keener) sein Jahrestreffen abhält, lediglich als Ressource – und damit meint Peele nicht nur ihre Arbeitskraft.

Die klaustrophobische Atmosphäre ist aufgeladen mit komplexer Gesellschaftskritik, die raffiniert die Angst vor rassistischer Gewalt mit der vor Persönlichkeitsverlust und Zwangsassimilierung in ein feindseliges System verbindet. Abgründiger Humor und hintersinnige Anspielungen machen die nervenzehrende Demaskierung der alltäglichen Bigotterie ebenso unterhaltsam wie nachhaltig beunruhigend.

Regie und Drehbuch: Jordan Peele, Darsteller: Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Caleb Landry Jones, Filmlänge: 104 Minuten, Kinostart: 04.05.2017