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Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

9
Tragikomödie

Das kommt dabei heraus, wenn ein alter Schwede es ordentlich krachen lässt: eine irrwitzige Verfolgungsjagd sowie ein Ausflug in die Geschichte des 20. Jahrhunderts, die so sicher in keinem Schulbuch steht.

Nach einer geglückten Detonation ins Altersheim abgeschoben, nimmt der Hobby-Sprengmeister Allan Karlsson (Robert Gustafsson) seinen 100. Geburtstag zum Anlass, um aus eben jenem zu türmen. Auf seiner Flucht gerät er prompt in Schwierigkeiten, als ihm der Geldkoffer eines Gangsters in die Hände fällt und dieser beim Versuch den Koffer wieder zu beschaffen unglücklich das Zeitliche segnet. Gemeinsam mit dem pensionierten Bahnhofswärter und Gelegenheitsdieb Julius (Iwar Wiklander) begibt er sich auf eine Odyssee, die nicht nur seine Flucht vor den übrigen Ganoven und der Polizei nebst Begegnungen mit allerlei skurrilen Charakteren beschreibt, sondern dabei auch noch Querverweise auf die bewegte Lebensgeschichte des Hundertjährigen bietet. Diese ist alles andere als gewöhnlich: so hat Karlsson, der immer recht unbedarft durchs Leben schritt, oft wortwörtlich mit großer Sprengkraft aber immer unabsichtlich, in die Weltgeschichte eingegriffen – ob als Widerstandskämpfer im Spanischen Bürgerkrieg, als Mitentwickler der Atombombe oder als amerikanisch-sowjetischer Doppelagent im Kalten Krieg.

Jonas Jonassons Roman mit dem furchtbar langen Titel wurde vor ein paar Jahren zum internationalen Bestseller – kein Wunder also, dass die Verfilmung der Geschichte um den unbedarften und doch ausgebufften Lebenskünstler und Dynamit-Aficionado Allan Karlsson nicht lange auf sich warten ließ.

Trotz nötiger Kürzungen bietet der Film auch alles, was das Buch verspricht: skurrile Situationen, liebenswert-schrullige Charaktere, viel (schwarzen!) Humor und einen verspielten Streifzug durch die Weltgeschichte inklusive Begegnungen mit historischen Persönlichkeiten wie Stalin oder Franco und künstlerisch-freien Hinzufügungen wie Albert Einsteins doofen Zwillingsbruder Herbert. Kontrastiert werden die Rückblicke auf Karlssons Leben mit der wahnwitzigen Verfolgungsjagd zwischen der Zwei-Mann-“Pensionistengang“, der sich im Lauf der Handlung noch weitere eigenwillige Charaktere anschließen, und den Gangstern beziehungsweise der Polizei.

Die wahnwitzigen Wirrungen sind unterhaltsam anzuschauen, gespickt mit reichlich Situationskomik und manchmal recht makaberem Humor. Obwohl sich die Handlungsspirale oft ins Klamaukige zu schrauben droht und einige der Charaktere, wie beispielsweise die tumben Gangster, teilweise allzu sehr an gängigen Klischees kratzen, schafft es der Film trotzdem, ein harmonisches Gesamtbild zu erzeugen und dabei unaufdringlich zu unterhalten.

Das liegt vor allem an seiner gewinnenden Hauptfigur, in der Jugend wie im Alter überzeugend verkörpert von Robert Gustafsson. Dem zwischen Naivität und Bauernschläue schwankenden Protagonisten gelingt es, trotz aller Überzeichnung und Irrwitzigkeit, sowohl bei der Rekapitulation seines abenteuerlichen Lebens als auch bei seiner Flucht vor der Einkerkerung im Altersheim, in seiner sympathischen Gleichmütigkeit glaubwürdig zu bleiben. Immer wieder wird Allan Karlsson deshalb mit Forrest Gump verglichen, ob seiner unbedarften Art und unwillkürlichen Eingriffe in die Geschichte. Wo Letzterer aber naiv und völlig selbstlos durchs Leben zu rutschen scheint, ist Karlsson egoistischer und hedonistischer zu Gange und sprengt sich, weit weniger subtil, im Notfall einfach den Weg frei – und das auch noch wohltuend auf jeglichen Pathos verzichtend.

Ob man sich diese Geistes- und Lebenseinstellung zum Vorbild nehmen sollte, ist zwar fraglich, spaßig mitanzusehen ist das Ganze aber in jedem Fall. FreundInnen skurriler Charaktere und schwarzhumoriger skandinavischer Filme sollten sich Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand nicht entgehen lassen.

Regie: Felix Herngren, Drehbuch: Felix Herngren, Hans Ingemansson, Darsteller: Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, David Wiberg, Mia Skäringer, Jens Hultén, Alan Ford, Laufzeit: 114 Minuten, Kinostart: 21.03.2014, www.derhundertjaehrige-film.de