Arrival
Denis Villeneuves Ausflug ins Science-Fiction-Genre ist ein angenehm kontemplatives Gegenmittel zu den kruden Zerstörungsphantasien von Independence Day: Wiederkehr und 10 Cloverfield Lane, obwohl er keineswegs so profunde Fragen aufwirft, wie er vorgibt.
Passend zum Beruf der Hauptfigur Louise Banks (Amy Adams) sind die brauchbaren Lektionen linguistischer Natur. Dank der gewichtigen Adaption von Ted Chiangs preisgekrönter Kurzgeschichte The Story of Your Life glauben zukünftig bedeutend weniger Leute die populäre Legende über die Artbezeichnung Känguru und kennen die Sapir-Whorf-Hypothese. „Kennen“ meint hier nicht „verstehen“, sondern eher „fehlinterpretieren“. Sei es aus Ironie oder Oberflächlichkeit, Villeneuve macht quasi die Sapir-Whorf-Hypothese zum neuen Känguru, indem er ein anekdotisches Konstrukt als Fakt ausgibt. Solche Pseudo-Wissenschaft wäre im Dienste eines unterhaltsamen Plots unbedenklich, wenn Drehbuchautor Eric Heisserer daraus nicht ein Argument für absoluten Determinismus ableiten würde. Diese fragwürdige Idealisierung der Schicksalsergebenheit unterwandert die philosophische Ebene der düsteren Variation von Der Tag, an dem die Erde stillstand.
Louise begegnet einem als hoch anerkannte Linguistin, die eine der besten ihres Felds, aber nahezu depressiv ist. In der Welt von Villeneuve und Heisserer kann eine akademische Karriere eine Frau eben nicht glücklich machen. Das kann vermeintlich nur das Mutterglück, das für Louise scheinbar ein tragisch frühes Ende nahm. Bedeutungsschwere Bemerkungen über das Konzept von Anfang und Ende verweisen früh auf die Auflösung des Plots, dessen emotionaler Aufbau sich als unangenehm manipulativ enttarnt. So abgeschottet ist die Protagonistin in ihrer grauen Welt, dass sie die Invasion aus dem All augenscheinlich als Allerletzte realisiert.
Ironischerweise ist sie eine der Ersten, die als Übersetzungsexpertin den Kontakt mit den Wesen aufnehmen soll. Im ländlichen Montana und elf strategisch ausgewählten Orten auf der Welt verharren konkave Raumschiffe in einschüchternder Regungslosigkeit. Die Armee unter der Führung von Colonel Weber (Forest Whitaker) traut den sanftmütigen Verwandten der Tentakelmonster aus Krieg der Welten nicht über den Weg, aber Louise hat nach anfänglichen Kommunikationsschwierigkeiten ihren Miracle-Worker-Moment.
Die üblichen Verdächtigen unter den Nationen planen den Erstschlag gegen die Eindringlinge auf ihrem Gebiet, während Louise und Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) sich näher kommen und in 18-stündigen Abständen abhalten, was Ian „Kaffeekränzchen mit Aliens“ nennt. Die Bezeichnung passt denn die Schriftsprache der Abbott und Costello getauften Wesen ähnelt ätherischen Kaffeebecher-Abdrücken. Zur Verblüffung der Wissenschaftler wissen Abbott und Costello zu Beginn eines Satzes, wie dieser endet. Ist diese Fähigkeit im Zeitalter der verkümmernden Kommunikation so rar geworden, dass sie ein intergalaktisches Phänomen darstellt? Muss wohl so sein.
Mehr als solche Kuriosa stören die intellektuelle Suspense und die sentimentalen Szenen von Louises früh verstorbener Tochter. Doch die vermeintlich hoffnungsvolle Botschaft, dass neue, wichtigere Aufgaben auf die Protagonistin warten, entpuppt sich als eine Mischung aus Defätismus und Chauvinismus. Etwas Bedeutsameres als Kinderkriegen darf es im Leben einer Frau nicht geben und niemand sollte den Lauf des Lebens beeinflussen. Diese zweifelhafte Doktrin ist das Geschenk der Aliens, die nichts als Gegenleistung wollen. Außer 116 Minuten Aufmerksamkeit und das Geld für eine Kinokarte.
Regie: Denis Villeneuve, Drehbuch: Eric Heisserer, Ted Chiang (Kurzgeschichte), Darsteller: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Filmlänge: 116 Minuten, Kinostart: 25.11.2016, gezeigt im Rahmen der Viennale V’16