The Substance
The Substance ist Coralie Fargeats zweiter Spielfilm als Regisseurin, nach ihrem phänomenalen Debüt, dem Rape’n’Revenge-Slasher Revenge aus 2017. Wie bei ihrem Erstling schrieb die Französin auch hier das Drehbuch selbst. Eine Arbeit, für die sie dieses Jahr in Cannes mit dem Drehbuchpreis ausgezeichnet wurde. Mit großer Vorfreude, aufgrund etlicher Vorschusslorbeeren, feierte der Film gestern auf dem Slash seine Österreichpremiere. The Substance war der Eröffnungsfilm der 15. Ausgabe des beliebten Slash-Filmfestival. Ein Umstand, dem die Veranstalter mit viel (auch trashigem) Glamour im Gartenbaukino begegnet sind.
In The Substance geht es um Elisabeth Sparkle (Demi Moore). Das in die Jahre gekommene Starlet erfährt just an ihrem 50igsten Geburtstag, durch ihren schmierigen Boss Harvey (Dennis Quaid), dass sie aus ihrer langlebigen Fitness-Fernsehshow gefeuert wird. Gleich darauf sieht sie wie ein großes Plakat mit ihrem Konterfei auf der Straße abmontiert wird und gerät darauf in einen Autounfall. Man könnte also sagen: Things could be better. Im Krankenhaus steckt ihr ein Krankenpfleger einen USB-Stick und eine geheime Botschaft zu. The Substance hätte sein Leben verändert. Es handelt sich dabei um ein illegales Präparat, das den Körper mittels Zellteilung zur Erschaffung eines jüngeren Selbst bringt. Elisabeth lässt sich auf den Deal ein. Auch ihr Leben wird sich dadurch sehr verändern.
The Substance ist Body-Horror und Gesellschaftssatire in seiner ätzendsten Form. Der Ekel-Pegel wird bei diesem Film ganz schön aufgedreht. Autorin/Regisseurin Coralie Fargeat bewies bereits mit ihrem Debütfilm ein tolles Gespür für Farb- und Bildkompositionen. Das kommt auch bei The Substance voll zum Tragen. Mit Demi Moore hat die Regisseurin (die ebenfalls bald ihren 50igsten Geburtstag feiert) den perfekten Star gefunden. Moore präsentiert sich mit ungeahnter Furchtlosigkeit und wirft sich mit vollem Körpereinsatz in die Rolle des tragisch gefallenen Stars. Mit Margaret Qualley hat man einen, auch optisch sehr gelungen, jungen Gegenpart zu Demi Moores Rolle gefunden. Die beiden Schauspielerinnen haben sichtlich Freude an diesem grenzüberschreitenden Epos, als ziemlich beste Feindinnen. Dennis Quaid gibt schön plakativ den schleimigen Fernsehboss.
Ein wenig könnte man sagen – The Substance ist die Splatter-Variante der 90er Schönheitswahn-Satire Der Tod steht ihr gut. Ein düsteres Märchen, sehr sinnlich inszeniert. Unweigerlich fühlt man sich des Öfteren an die Orgien des David Cronenberg erinnert. Hier liegt auch der Hund begraben. Denn bei aller Grellheit – wirklich originell ist das hier nämlich nicht. The Substance ist ein lauter, wenig subtiler, Rundumschlag, der im direkten Vergleich mit ähnlich gelagerten Werken aus der jüngeren Filmvergangenheit (The Neon Demon, Titane, Infinity Pool) eindeutig das Nachsehen hat. Das liegt vor allem an der Story, die wenig Tiefgang besitzt und mit der inneren Logik eindeutig auf Kriegsfuß steht. Daher ist besonders die Auszeichnung mit dem Drehbuchpreis überraschend, bei der geringen inhaltlichen Substanz.
Denn in fast allen anderen Belangen kann The Substance dennoch voll überzeugen. Vor allem aber muss man den Mut der Filmmacherin hervorheben, vollkommen über jede Grenze des guten Geschmacks hinweg zu brettern. Die letzten 15 Filmminuten werden zu einer wahren Herausforderung für die Nerven und Mägen der Zuschauer. Und genau mit dieser Radikalität bekommt uns The Substance schlussendlich dann eben doch. Chapeau.
Dass das Werk mit 140 Minuten Spielzeit mal wieder ordentlich lang geraten ist, sei zwar erwähnt – Langeweile kommt aber in dieser bunten Tour de Force trotzdem nicht auf. Sicherlich ein Film, den viele hassen werden. Und auch darüber kann man sich ja ein wenig freuen.
Regie und Drehbuch: Coralie Fargeat, Darsteller: Margaret Qualley, Demi Moore, Dennis Quaid, Hugo Diego Garcia, Oscar Lesage, Filmlänge: 140 Minuten, gezeigt auf dem Slash Filmfestival 2024