Tipografic-majuscul-(c)-2020-Silviu-Ghetie

Uppercase Print

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Drama

Erschreckender als die Verfolgung und Einkerkerung eines 16-Jährigen, der als Mitglied einer jungen Protestgruppe unter Ceaușescu harmlose Staatskritik an öffentliche Orte schrieb, sind die geisttötenden Vignetten gleichgeschalteter Nachrichten, verstaatlichter Kulturprogramme und ideologische Indoktrinierung in Radu Jedes metatextueller Monografie.

Darin enthüllt sich hinter der biografischen Skizze des rumänischen Widerständlers Mugur Calinescu das konkretere Porträt eines totalitären Regimes. Dessen faschistischer Machtapparat materialisiert sich als mediales Mosaik. Volkslieder, Kochshows, Fake-News und Ehrungen für das Staatsoberhaupt, das Calinescu schließlich zum Verstummen brachte.

Unter die Zeitdokumente systematischer Verdummung und Fehlinformation mischt der rumänische Regisseur Abhörprotokolle und Tonaufnahmen klandestiner Überwachung. Das dichte Propaganda-Pastiche durchbrechen abgefilmte Auszüge eines Theaterstücks der Co-Drehbuchautorin Gianina Carbunariu, die den Fall des schließlich verratenen und verhafteten Protagonisten aufgriff. Der Verfasser der Kreideslogans bleibt ein Schatten, präsent nur durch ein Foto, verallgemeinernde Freundesbeschreibungen und seine Worte: „Unter Feiglingen kann man nicht handeln.“ Relevant als seine Person ist, dass es Staatssysteme gibt, in dem solches Aufbegehren notwendig und lebensgefährlich ist.

Regie: Radu Jude, Drehbuch: Radu Jude, Gianina Carbunariu, Darsteller: Serban Pavlu, Alexandru Potocean, Ioana Iacob, Constantin Dogioiu, Silvian Vâlcu, Bogdan Zamfir, Filmlänge: 128 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2020