Vice – Der zweite Mann
Für alle, denen der Nerv und die intellektuelle Kapazität für Hollywoods gewichtige, hochkarätig besetzten Polit-Schinken renommierter Regisseure fehlt, gibt es das Ganze jetzt im Late-Night-Comedy-Format von Adam McKay.
Seine semi-fiktionale Karrierebiografie Dick Cheneys (Christian Bale) besitzt sämtliche Attribute eines typischen Oscar-Anwärters. Eine namhafte Besetzung bis in die kleinste Nebenrolle, ein brisantes historisches Thema, eine anpassungsfähige Agenda und eine bestechend realistische Maske, besonders im Falle Bales. Der verkörpert George Bushs Verteidigungsminister und Bush Jr.s Vize mit einer seriösen Innbrust, als habe ihn der Regisseur und Drehbuchschreiber nie informiert, dass hier kein Seelenstreichler für die intellektuelle Linke entsteht, sondern dessen Antithese. Darin wird das Zielpublikum sogar jovial instruiert, was ein Shakespeare’scher Monolog sei.
Letztes übrigens falsch. Systematische Fehlinformation ist kurioserweise die bevorzugte Taktik eines Plots, der sich darum dreht. Was eine ironische Brechung erzeugen könnte, wird in der sensationalistischen Erfolgsstory nur Doppelmoral. Während McKay seine Protagonisten dafür anprangert, der Bevölkerung Sündenböcke zu liefern und sie mit reißerischen Medieninszenierungen zu manipulieren, tut er nichts anderes. Cheney wird zur Spinne im Hintergrund und George W. Bush (Sam Rockwell) und Mentor Donald Rumsfeld (Steve Carell) nur Fliegen im Netz.
Wurzel allen Übels ist treu nach The Manchurian Candidate eine Frau, die ihren frustrierten Machthunger durch einen Mann kompensiert. Gemeinsam werden Dick und Lynne (Amy Adams) in der faktenverdrehenden Oliver-Stone-Kopie zu Washingtons Macbeths; weniger Manifestation der Selbstherrlichkeit einer Politdynastie als der des Regisseurs.
Regie und Drehbuch: Adam McKay, Darsteller: Christian Bale, Amy Adams, Alison Pill, Steve Carell, Jesse Plemons, Sam Rockwell, Lily Rabe, Eddie Marsan, Shea Whigham, Filmlänge: 132 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2019, Kinostart: 22.02.2019