Boston
Normalerweise ist man gegenüber Peter Berg als Regisseur, ganz besonders in Kombination mit Mark Wahlberg, meist zurecht skeptisch eingestellt. Boston, so nichtssagend der Titel klingen mag, beweist überraschenderweise, dass es auch Ausnahmen gibt.
Erzählt werden die Ereignisse des Bombenattentats auf den Boston Marathon 2013 und die daraus resultierende Jagd auf die Attentäter aus unterschiedlichen Perspektiven. Da wäre zum einen der Polizist Tommy Saunders (Mark Wahlberg), der an jenem Tag beim Marathon Dienst hatte. Oder Sergeant Jeffrey Pugliese (J.K. Simmons), der bei einem der Schusswechsel mit den Terroristen vor Ort war (was im Film übrigens einer der am glaubwürdigsten inszenierten Schusswechsel seit Heat ist). Aber auch die zwei Täter Dzhokhar (Alex Wolff) und Tamerlan Tsarnaev (Themo Melikidze) stehen im Zentrum dieses akribisch aufgearbeiteten Thrillers und bekommen genug Spielraum um mehr als lediglich das personifizierte Böse darzustellen.
Während Peter Berg sonst nicht gerade für sein subtiles Gespür oder eine realistische, nüchterne Darstellung von Tatsachen bekannt ist (siehe Lone Survivor und Deepwater Horizon, beide mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle), zeigt er hier wahrhaft ein Händchen die Geschichte so glaubwürdig und den harten Fakten entsprechend darzustellen. Zugegeben, zeitweise verrennt er sich etwas in Pathos und Kitsch, drückt stellenweise zu stark auf die Tränendrüse und versucht Emotionen zu evozieren, dennoch bleibt er weitgehend dem realen Tathergang treu verhaftet und macht damit aus Boston beinahe einen semi-dokumentarischen Thriller.
Es erstaunt sogar, dass selbst die actiongeladenen Momente weitgehend genauso inszeniert wurden, wie sie sich in Wirklichkeit abgespielt haben, soweit es zumindest nachvollziehbar war. Auch die Darstellerriege, die sich in Boston versammelt, weiß durchwegs zu überzeugen und es gibt eigentlich keine Leistung, die negativ auffällt, wenngleich auch keine derart im Fokus steht, dass man sie als aus der Menge herausragend bezeichnen könnte. Stört jedoch wenig, denn eigentlich ist Boston nicht auf seine Figuren oder deren Entwicklung zentriert – wenngleich er dennoch keine von ihnen stereotypisch heroisiert oder grundlos dämonisiert -, sondern schlichtweg auf das Aufzeigen des Tathergangs und dem Auffinden und Verfolgen der Täter, erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven.
Selbst Mark Wahlberg, der sonst in dramatischen Rollen eher unterwältigt und meist nur in humorvollen Filmen wirklich überzeugen kann (Die etwas anderen Cops, TED und Pain & Gain), beweist hier durch sein (großteils) reduziertes Spiel, dass er zu mehr fähig ist. Ein Umstand, dem er nicht zuletzt dem gelungenen Drehbuch von Peter Berg, Matt Cook und Joshua Zetumer und der fokussierten Inszenierung, verdankt. Schade nur, dass der Film bei uns kaum Beachtung gefunden hat, zeigt er doch überraschend eindrucksvoll, dass selbst bestenfalls belächelte und schlimmstenfalls abschätzig betrachtete Regisseure wie Peter Berg zu mindestens einem großartigen Film imstande sind (siehe auch Michael Bay mit Pain & Gain).
Boston ist sicherlich kein perfektes Meisterwerk, davon zeugen die zeitweise überdramatisierten, auf billige emotionale Effekte abzielenden Ausrutscher, die sich Berg immer wieder mal leistet, aber es ist mit Leichtigkeit und großem Abstand sein bislang bester Film. Im Ganzen betrachtet (und in seinen besten Momenten) ist Boston ein starkes Stück filmischer Aufarbeitung eines Terroranschlags, der besonders durch seine großteils auf Fakten aufgebauten Handlung und beinahe dokumentarisch nüchternen Inszenierung punktet.
Regie: Peter Berg, Drehbuch: Peter Berg, Matt Cook, Joshua Zetumer, Darsteller: Mark Wahlberg, John Goodman, Michelle Monaghan, Alex Wolff, Themo Melikidze, J.K. Simmons, Filmlänge: 133 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 07.09.2017