Ni-No-Kuni-Wrath-of-the-White-Witch-©-2013-Namco-Bandai

Ni no Kuni: Der Fluch der weißen Königin

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JRPG

Den Zenit scheinen die klassischen Bereiche der japanischen Unterhaltungsindustrie längst überschritten zu haben. Sowohl die japanische Spielebranche als auch die Anime-Industrie stecken in tiefer Sinnkrise und hinterlassen mit missglückten Innovationsversuchen immer wieder einen verlorenen Eindruck.

Zwischen all den Bestrebungen, neue Zielgruppen zu erschließen und verzweifelt auf aktuelle Trends aufzuspringen, ist es also überaus dankenswert, wenn ausgerechnet der renommierte JRPG Experte Level 5 zu seinem Jubiläum einen Versuch unternimmt, alle klassischen Genre-Zutaten ohne Kompromisse in einem Titel zu vereinen.

Allem voran steht dabei wohl unverkennbar die Zusammenarbeit mit dem Anime-Studio Ghibli, das mit seinen vielfach Oscar-nominierten Streifen (z.B. Prinzessin Mononoke, Chihiros Reise ins Zauberland) nicht nur Anhängern der japanischen Animationskunst ein Begriff sein dürfte. Diese Kooperation drückt sich nicht nur in Form animierter Zwischensequenzen aus, sondern auch durch die gesamte Spielwelt mit allen Charakteren, Gegnern und Orten – alles entstammt bis ins letzte Detail aus der Feder der berühmten Kreativfabrik. Einst war Dragon Quest 8 ohne Zweifel das wohl größte Projekt aus dem Hause Level 5, es bleibt es doch bis heute eine der liebevollsten und umfangreichsten JRPG-Umsetzungen auf der ausgedienten Playstation 2 und genauso wie DQ 8 den unvergleichlichen Charme von Dragon Ball Schöpfer Akira Toriyama versprühte, ist Ni no Kuni: Der Fluch der weißen Königin nun ein Spiel, das aus allen Poren den einzigartigen Ghibli-Stil ausstrahlt – was für sich genommen bereits einen enormen Reiz ausübt.

Der Spieler begleitet den jungen Protagonisten Oliver, der aus der Stadt Motorville stammt, einer Art amerikanischer Kleinstadt der 60er Jahre. Nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter reist der Junge in eine Fantasiewelt um das traumatische Ereignis zu korrigieren. Diese Welt ist gefüllt mit Magie und Wundern und so entdeckt Oliver auf seiner Reise einen sehenswerten Schauplatz nach dem anderen. Der Ghibli-Stil wird dabei natürlich voll ausgespielt, Orte wie das „Königreich der Katzen“ werden den kühnsten Vorstellungen eines Fans absolut gerecht und aufgrund der detaillierten Umsetzung mit hochauflösenden Texturen und Cell-Shading fühlt es sich tatsächlich so an, als würde man mitten in einem interaktiven Anime-Meisterwerk herumlaufen.

Einzigartig an Ni no Kuni: Der Fluch der weißen Königin ist aber vor allem die verblüffende Detailfülle, mit der der Spieler konstant überrascht wird. Da wäre zum Beispiel das frei zugängliche Zauberhandbuch, das gefüllt ist mit Informationen über Magie und Monster, gleichzeitig aber auch mit fantastischen Sagen aus der Welt von Ni no Kuni. Ein interessierter Spieler kann stundenlang in dem umfangreichen Werk schmökern und ist so damit bestens über die Hintergründe der zu erforschenden Welt im Bilde.

Das Kampfsystem, das in seiner Machweise stark an die Tales-Serie erinnert, ist mit einer starken Prise Pokemon gewürzt und lässt den Spieler mit unzähligen Monsterzüchtungen experimentieren. Sobald der Spieler in die zahlreichen Teilaspekte eingeführt ist, wird der Schwierigkeitsgrad dabei erstaunlich fordernd. Ohne „Grinding“ endet die Reise sehr bald in regelmäßigen Game-Over Screens. Wer zum Beispiel in der weitläufigen Weltkarte allzu weit vom Weg abkommt, den erwartet frei nach den frühesten JRPG-Klassikern ein unvermeidlicher Tod. Glücklicherweise kann man aber jederzeit auf „Easy“ umstellen, das System sollte also niemanden unnötig frustrieren. Trotzdem offenbart Ni no Kuni an dieser Stelle auch seine hässlicheren Seiten, denn alle öden Unzulänglichkeiten, die ein klassisches JRPG so mit sich bringt, sind mit dabei: Von langatmigen eintönigen Dungeons, in denen ein Kampf auf den anderen folgt, bis hin zu weiten Durststrecken in der Handlung.

Bei all der visuellen Brillianz darf natürlich auch das Ohr nicht zu kurz kommen und so begleitet ein virtuoser orchestraler Soundtrack den Spieler durch die stimmungsvolle Welt. Die Wahl zwischen der japanischen Sprachausgabe und der englischen fällt zudem überraschend schwer, denn wie zuletzt in Dragon Quest 8 glänzt die englische Lokalisierung mit beispielhafter Qualität. Kompetente Darbietungen machen jede Zwischensequenz zum Hochgenuss.

Trotz kleiner Makel ist Ni no Kuni vor allem eines: Ein durch und durch aufrichtiges Werk, das versucht, sich ohne Abstriche am Besten zu bedienen – was sich in der japanischen Unterhaltungsindustrie innerhalb der letzten 30 Jahre etabliert hat. Es versucht nicht die nostalgischen Wurzeln des Genres beschämt unter einem modernen Mantel zu verstecken, sondern zelebriert sie mit einer euphorischen Freude, die unwillkürlich auf den Spieler überspringt. Mit seinen beispiellosen Produktionswerten schafft es Ni no Kuni: Der Fluch der weißen Königin zum zeitlosen Klassiker und dürfte wohl noch lange als eines der Genre-Highlights dieser Konsolengeneration in Erinnerung bleiben.

Plattform: PS3 (Version getestet), Spieler: 1, Altersfreigabe (Pegi): 12, Release: 01.02.2013