A Haunting In Venice
A Haunting In Venice ist der neue Film von Kenneth Branagh und sein dritter Auftritt als berühmtester Detektiv der Welt, Hercule Poirot. Es ist also eine Verfilmung nach Agatha Christie – die es allerdings so gar nicht gibt. Was das alles zu bedeuten hat und warum das ganze trotzdem als gelungen zu bezeichnen ist, davon erzählt diese Kritik.
Am Anfang steht ein sehr eitler Mann. Das trifft sowohl auf die Kunstfigur Hercule Poirot als auch auf den Künstler Kenneth Branagh zu. Dieser schickte sich anno 2017 an, einen von Agatha Christies bekanntesten Romanen, Mord im Orientexpress, neu zu verfilmen. Und die ganze Welt fragte sich: Wozu? Das Ganze war zwar mit vielen Stars und in Hochglanzoptik umgesetzt. Aber echte Begeisterung konnte er damit nicht erzeugen. Quasi das gleiche wiederholte sich dann (mit einigen Corona-Verschiebungen) 2022 mit Tod auf dem Nil, auch wenn man hier schon eine kleine Aufwärtstendenz bemerken konnte. Doch wieder war es ein gut bekannter und bereits 1978 hervorragend umgesetzter Stoff, der nicht unbedingt nach Wiederholung schrie.
In seinem dritten Anlauf nimmt Branagh nun einen eher unbekannten Stoff der Krimi-Maestra und voila – plötzlich läuft die Kiste wie geschmiert. Dabei wählt Branagh einen durchaus abenteuerlichen Ansatz, denn den Roman, den er hier verfilmt, gibt es so eigentlich gar nicht. A Haunting In Venice basiert auf dem Roman Halloween Party (der auf Deutsch sehr lange den seltsamen Titel Schneewittchen Party trug – Halloween war damals eben noch kein bekannter Brauch bei uns). Nur spielt der Roman überhaupt nicht in Venedig, sondern in England. Und auch sonst ist alles (oder sehr vieles) ganz anders. Und obendrein inszeniert Brannagh das Ganze als Horrorfilm.
Das klingt alles ziemlich abenteuerlich und abwegig. Doch nun die Überraschung: A Haunting In Venice funktioniert hervorragend als Poirot-Film und atmet durch und durch den Geist von Agatha Christie. Quasi als Kammerspiel inszeniert, mit etlichen Verdächtigen, einem Murder Mystery, vielen Verhören, Wendungen und obendrauf ein bisschen Spuk. Manchmal übertreibt es Branagh mit den Jump-Scares, aber alles in allem ist A Haunting In Venice ein schön gefilmter, runder Krimi, mit einem hervorragend aufspielenden Cast (etwa Tina Fey, Kelly Reilly, Michelle Yeoh, Jamie Dornan, etc.) – und ist mit Abstand Branaghs beste Christie-Adaption. Man darf gespannt sein, wie er das von hier weiterentwickelt. Vielleicht ja das nächste Mal einen gemütlichen England-Krimi. Der Wachsblumenstrauß böte sich an. Den gibt es nämlich, obwohl ein Poirot-Roman, als Miss Marple-Verfilmung mit Margaret Rutherford. Das wäre doch eine Herausforderung.
Regie: Kenneth Branagh, Drehbuch: Michael Green, basierend auf einem Roman von Agatha Christie, Darsteller: Kenneth Branagh, Tina Fey, Kelly Reilly, Michelle Yeoh, Jamie Dornan, Amir El-Masry, Riccardo Scamarcio, Filmlänge: 103 Minuten, Kinostart: 14.09.2023