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Don’t Breathe

3
Horror

Fede Alvarez gehypter Horrorthriller krankt an einer Schwäche, die derzeit viele vermeintliche Leinwandschocker zwangsläufig zu Enttäuschungen macht: Er hat eine gute Idee – genau eine einzige, die nicht ausreicht für einen kompletten Film. Selbst wenn der Film nur 88 Minuten dauert wie das zweite Werk des uruguayischen Regisseurs und Co-Drehbuchautors.

Er wollte nach dem splatterigen Evil Dead angeblich mehr Spannung statt Blut, aber setzt weiterhin auf physische Gewalt. Die ist oft so drastisch, dass die Betroffenen tot oder bewegungsunfähig sein müssten. Aber nicht die Protagonisten! Die klaustrophobische Story reanimiert die zentralen Figuren hartnäckig, bis man sich fragt, ob das Ganze nicht doch ein Zombiefilm ist. Die Haupthandlung gleicht einer Geisterbahnfahrt, bei der ein einzelner Angestellter für alle Schreckfiguren einspringen muss. Hier ist es ein trotz Blindheit physisch überlegener Kriegsveteranen, den Stephen Lang mit bedrohlicher Intensität spielt. Sein Haus liegt in einer verlassenen Gegend Detroits, das von Kriminalität und Verfall gezeichnete Kulisse liefert.

Das allgegenwärtige Elend ist perfekter Stoff für einen sozialkritischen Kommentar, der dem repetitiven Geschehen eine Bedeutung geben könnte. Doch vom Moment an, in dem die jungen Einbrecher Rocky (Jane Levy), Alex (Dylan Minnette) und Money (Daniel Zovatto) den Schauplatz betreten, wird offenkundig, dass Alvarez an mehr als einer Dimension nicht interessiert ist. Das betrifft auch die Figuren, deren Namen Aushängeschilder ihrer schematischen Charakterisierungen sind.

Money ist der provozierende Macker, der auf maximalen Profit aus ist. Rocky ist gebeutelt von einer harten Kindheit und will ein besseres Leben für ihre kleine Schwester mit dem ebenfalls definierenden Namen Diddy (Emma Bercovici). Alex ist der Jüngste der Gruppe und hat seinen richtigen Namen, also ist er der bedachtsame Typ, der heimlich in Rocky verknallt ist. Aber ihr Freund ist Money, praktisch und figürlich. Das Final Girl will die Schadensersatzzahlung, die im Haus des blinden Mannes versteckt liegt. Doch merke: Money = Tod! Das führt Alvarez früh grafisch vor Augen. Was die Underdogs im Haus ihres Opfers erwartet, wird als grotesk unverhältnismäßige Bestrafungsfantasie zelebriert.

Die Auge-um-Auge-Mentalität gipfelt in einer Nebenhandlung, die verstörender ist als der gesamte Film. Doch auch hier verschenkt Alvarez psychologisches Grauen zugunsten vorhersehbarer Jump-Scares. Deren Effektivität leidet neben der Wiederholung an den klaffenden Logiklücken. Warum macht ein Blinder das Licht an? Warum hat er Fotos auf dem Kaminsims? Warum attackieren Rocky und Alex nicht gemeinsam den offenbar gefährlichen Typen, als sie die Chance haben? Wie kann jemand durch ein vergittertes Fenster fallen? Wieso ist der Wachhund des Mannes plötzlich nicht mehr betäubt? Wieso ist der Mann trotz Betäubungsgases nicht betäubt? Wie hat der Blinde die außergewöhnlichen Vorrichtungen in seinem Horrorhaus alleine gebaut? Wieso wechseln draußen im Minutentakt Tag und Nacht? Wieso lassen Rocky und Alex ihren Gegner mit einer Waffe zurück? Die letzte Antwort ist simpel: damit der Film wieder 10 Minuten weitergehen kann, bis zur Wiederholung der Eröffnungsszene. Die erste Szene ist ein enormer Spoiler, der wieder die Frage aufwirft: Warum? Vielleicht ist die Antwort auch hier banal: Die Kinokarte wurde bezahlt, alles andere kann den Machern egal sein.

Regie: Fede Alvarez, Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues, Darsteller: Stephen Lang, Jane Levy, Dylan Minnette, Daniel Zovatto, Filmlänge: 88 Minuten, Kinostart: 09.09.2016, www.dontbreathe.de




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