Moonlight-(c)-2016-Thimfilm(1)

Moonlight

8
Drama

Barry Jenkins’ eindrucksvolle Charakterstudie ist ein Coming-of-Age-Film im ursprünglichen Sinne, dessen episodische Handlung sich mehr mit einem mentalen Entwicklungsprozess befasst, als mit der Darstellung dramatischer Erlebnisse.

Von letzten gibt es nur wenige in dem harschen Leben des verschlossenen Protagonisten, der in einem heruntergekommenen Stadtteil Miamis aufwächst und zaghaft seine Homosexualität entdeckt. Sein Name ist die Überschrift der drei Akte von Moonlight, die dennoch jeder anders heißen. Die Fluktuation zwischen Spott-, Eigen- und Spitzname verweist auf das unbeständige Selbstbild des Hauptcharakters. Wasser und Licht, das Dingen und Menschen eine andere Farbe geben kann, sind wiederkehrende Metaphern der Adaption von Tarell Alvin McCraneys Theaterstück In Moonlight Black Boys Look Blue. Die enigmatische Bildsprache des Regisseurs und seines Kameramanns James Laxton ist ein noch intimerer Spiegel des Innenlebens der Figuren als ihre Worte.

Bis der von den Gleichaltrigen schikanierte Chiron, genannt Little (Alex Hibbert), ein paar davon spricht, ist die erste einschneidende Begegnung seiner Kindheit schon geschehen. Sein Schweigen ist die letzte Defensive gegen das brutale Milieu. Die Sensibilität hinter der Schroffheit erkennt ausgerechnet Juan (Mahershala Ali), ein Crackdealer, der mit seiner freimütigen Freundin Teresa (Janelle Monáe) zu Littles Ersatzfamilie wird. Leibliche Väter sind abwesend: im Gefängnis, wo auch Chiron und sein einziger Freund Kevin (Jaden Piner) später landen. Die systematische Masseninhaftierung von Afroamerikanern ist nur eines der gravierenden Sozialthemen, die in den Biografien der Charaktere mäandern. Ein anderes ist die Drogenkultur, in die eine Generation nach der anderen hineinwächst. Dealen ist die einzige Karriereoption der Jugendlichen in dem scheinbar ausschließlich von Farbigen bewohnten Viertel. Offiziell ist die Segregation abgeschafft, sozial und wirtschaftlich ist sie so real wie zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung.

Sie wurde nicht von außen zerschlagen, sondern auf tückische Weise von innen erodiert. Eine Bevölkerungsgruppe, die wie Chirons süchtige Mutter Paula (Naomie Harris), Juan und er selbst als Erwachsener (Trevante Rhodes) körperlich oder ökonomisch von Stoff abhängig sind, ist leichter durch das System zu kontrollieren und auszubeuten. Das Fehlen von Vaterfiguren verstärkt die Orientierungslosigkeit, mit der Chiron (Ashton Sanders) und Kevin als Teenager (Jharrel Jerome) kämpfen. Beide wählen unterschiedliche Wege, um ihre wahre Identität und ihre Gefühle füreinander hinter einer konformen Fassade zu verbergen. Das Entkommen aus diesem psychischen Gefängnis ist das Ziel des schmerzlichen Weges, den das fragmentarische Drama bewusst nicht bis zum Ende geht. Doch das Stück, dass die lyrischen Bilder davon zeigen, ist für sich genommen schon herausragend genug.

Regie: Barry Jenkins, Drehbuch: Barry Jenkins, Tarell Alvin McCraney, Darsteller: Mahershala Ali, Alex R. Hibbert, Janelle Monáe, Jaden Piner, Naomie Harris, Filmlänge: 111 Minuten, Kinostart: 10.03.2017