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Nocturnal Animals

3
Thriller

Vor sechs Jahren bewies Tom Ford mit seinem Regiedebüt, dass er vom Spielfilm im Allgemeinen und von Romanadaptionen im Besonderen besser die Finger lassen sollte. A Single Man war dank der Darsteller passabel genug, um nicht als Blamage zu gelten, und verriet unter der gelackten Oberfläche viele der inszenatorischen Schwächen, die in Nocturnal Animals üppige Blüten treiben.

Als Designer hat der Regisseur, der auch das Drehbuch nach Austin Wrights Roman Tony and Susan schrieb, ein geschultes Auge für Ästhetik. Die Settings sind bis ins Detail durchgestylt. Das Gleiche gilt für die Erscheinung der Figuren, für die das Szenenbild ein elaborierter Laufsteg ist. Einen kompletten Film als Schaurahmen für Design zu produzieren, ist für die Zuschauer zwar eine intellektuelle Beleidigung, doch marketingtechnisch zeitkonform. Modenschau funktioniert heute als Pop-Event statt strenges Paradieren und Werbespots für die banalsten Produkte schmücken sich mit pseudo-tiefsinnigen Botschaften: „Wir werden alle letztendlich zu unseren Müttern“ oder „Alles ist relativ.

Diese Plattitüden hört Galeristin Susan (Amy Adams) von ihrer Mutter (Laura Linney), die dem Denver Clan entsprungen scheint, und ihrer Freundin Alessia (Andrea Riseborough). Die Karikatur der älteren Liz Taylor bestätigt Susan und indirekt dem Publikum, dass die Überprivilegierten alles Recht hätten, sich unglücklich zu nennen. Das Recht sicher, aber ist es pietätvoll? Solche Fragen stellt die zweistündige Edel-Soap nicht. Normale Menschen tauchen in der Handlung nicht auf. Nur Bedienstete im Hintergrund verraten, dass Ford sich der Existenz von Personen außerhalb der Elite bewusst ist.

Zwar kommentiert Alessias schwuler Ehemann Carlos (Michael Sheen), ihre Welt sei weit weniger schmerzvoll als die echte Welt, doch die vorgebliche Selbstironie ist fadenscheinige Scharade. Blasiertheit, Doppelmoral und Gehässigkeit leiten die uninspirierte Stilübung, die weibliche Figuren als groteske Feindbilder, Spott- oder Sexobjekte ansieht. Männer hingegen sind sensible Künstler wie Susans Schriftsteller-Ex Edward (Jake Gyllenhaal), tragische Helden wie dessen fiktionales Alter Ego Tony und stoische Gesetzeshüter wie Tonys Detective-Kumpan Bobby Andes (Michael Shannon).

Der Charlton-Heston-Verschnitt befeuert Tonys Rache an den psychopathischen Vertretern des Prekariats, die Tonys Frau (Isla Fisher) und Tochter (Ellie Bamber) ermordet haben. Dabei ist die Revanche, die in einer Szene gar in Großbuchstaben gemalt an der Wand hängt, die Edwards an Susan. Das titelgebende Skript, das er ihr nach 19 Jahren Funkstille schickt, dessen Inhalt und Edwards Wiedersehen mit Susan ist alles Teil eines infantilen Racheplans. Der Plot wirkt wie eine stilisierte Mahnung an Frauen, es ja nicht zu wagen, eigene Bedürfnisse und Ambitionen zu haben.

Wenn doch, dann enden sie wie Susan, deren Mutter und Kolleginnen: erfolgreich, aber einsam, in einer kaputten Ehe, überoperiert, liebesunfähig. Und eines Tages sind sie alt und fett wie die Tänzerinnen, die in der Eröffnungsszene als groteskes Spektakel auftreten. Edward wohlgemerkt altert in 19 Jahren keinen Tag. Dieser Anachronismus ist nur ein weiterer Beleg, dass Ford an Models interessiert ist, nicht an Menschen. Sein selbstverliebter Fashion-Film amalgamiert zwei abgenutzte Handlungsfragmente zu einem hyperprätentiösen Kulissen-Katalog mit der psychologischen Tiefe und Originalität einer Fotostrecke in einem Wartezimmer-Magazin.

Regie und Drehbuch: Tom Ford, basierend auf dem Roman von Austin Wright, Darsteller: Amy Adams, Jake Gyllenhaal, Michael Shannon, Aaron Taylor-Johnson, Isla Fisher, Armie Hammer, Laura Linney, Michael Sheen, Filmlänge: 116 Minuten, Kinostart: 22.12.2016