The Witcher 3: Wild Hunt
Die Lust an digitalen Abenteuern wird in letzter Zeit etwas getrübt: Schier endlose Schwärme an Minimap-Markierungen, hinter denen nichts außer statistisch irrelevanten Zahlenwerten auf ihre Entdeckung wartet. Gute Laune macht das Erkunden von neuen Umgebungen so nicht.
Angesichts der Tatsache, dass Spiele-Marketing die Größe von digitalen Spielfeldern als Wettbewerbskriterium auserkoren hat und die Umgebungen teilweise schon absurde Ausmessungen erreichen, wird es schwierig, neben den gigantischen Landschaften genug Content zu liefern, um dem Spieler das Gefühl zu geben, er bewegt sich durch eine lebende, aufregende Welt.
Mit The Witcher 3: Wild Hunt nehmen sich die polnischen Entwickler von CD Project RED diesem Problem an: Eine gewaltige Welt, die dem Spieler völlige Freiheit gibt und trotzdem bis zum Bersten mit reizvollem Content voll ist. Das ist die kostspielige Idee, mit der das Spiel seit geraumer Zeit sein Publikum lockt. Und tatsächlich: Es ist beinahe irrelevant in welche Richtung man loszieht, man findet irgendeine interessante Entdeckung. Denn man hat nicht nur austauschbare Relikte versteckt, sondern es gibt auch unzählige Ereignisse aller Art zu finden. Jede noch so kleine Geschichte wird dabei mühevoll durch Cutscenes erzählt und lohnt sich nicht nur für Erfahrungspunkte oder Geld, sondern zusätzlich durch interessante Wendungen.
Als titegebender „Witcher“ namens Geralt von Riva ist es die Aufgabe des Spielers, abseits von handlungsrelevanten Ablenkungen für die gepeinigten Einwohner einer klassischen High-Fantasy (bzw. Dark-Fantasy)Welt Monster auszuschalten. Doch statt wild in irgendeine Richtung los zu knüppeln verfolgt man meist eher einen zerebralen Ansatz: Der Protagonist ermittelt in aller Ruhe. Was ist die Ursache des Problems? Warum überhaupt? Was ist wirklich passiert?
Wer gründlich recherchiert wird nicht nur mit Story, sondern auch mit Informationen belohnt, die dann verwendet werden können, um sich angemessen auf die anstehende Konfrontation vorzubereiten. Dieser Ablauf ist in einer Zeit, in der Videospiele vorrangig daraus bestehen, von Questmarker zu Questmarker zu laufen, um dort simple Button-Eingaben zu absolvieren, überaus erfrischend – und der Aufwand, der dahinter steht, ringt dem Spieler tiefen Respekt ab.
Natürlich gilt das auch für die Hauptstory, die der Spieler in beliebiger Reihenfolge abarbeiten darf. Auch hier ist die Qualität herausragend, alle Szenen sind bis in die kleinsten Nebenrollen mit kompetenten Sprechern besetzt und hervorragend gespielt. The Witcher 3: Wild Hunt nimmt sich stundenlang Zeit, um immer wieder faszinierende Charaktere aufzubauen und hat es dabei nicht nötig länger, an einem Ort zu verweilen als unbedingt notwendig.
Die Anzahl an abwechslungsreichen Kulissen ist erstaunlich und die grafische Inszenierung ebenfalls bis ins letzte Detail perfekt. In der Präsentation stößt höchstens übel auf, dass die teilweise recht markanten Klänge bei allzu langen Ausflügen in die Fantasy-Welt doch etwas zu oft wiederholt werden. Monster jagen, Karten spielen, Alchemierezepte ausprobieren: Die Vielfalt des Spielablaufs fügt sich perfekt in die umfangreiche Welt ein. So ist es möglich, an die 100 Stunden in den Titel zu investieren, ohne dass jemals Langeweile oder Eintönigkeit aufkommt – ein Alleinstellungsmerkmal.
The Witcher 3: Wild Hunt ist der ideale Simulator für Game of Thrones-Liebhaber: Düstere Geschichten mit genau der richtig dosierten Prise Fantasy lassen den Spieler je nach Belieben in eine andere Welt eintauchen, die weit mehr zu erzählen hat als die meisten vergleichbaren Gerne-Vertreter. So viele angenehme Überraschungen findet man selten und waren zum Release noch Bugs und technische Probleme ein Faktor, hat CD Project RED mittlerweile mit vorbildlichem Einsatz gezeigt, wie man auch nach dem Release einen Titel auf Erfolgskurs halten kann.
Plattform: PC (Version getestet), PS4, Xbox One, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 19.05.2015, http://thewitcher.com/witcher3