Wheel of Fortune and Fantasy
Dass Ryusuke Hamaguchi jede Episode seines oberflächlichen Trios um weibliche Figuren konstruiert, kann über den dezidiert männlichen Fokus seines flüchtigen Berlinale Wettbewerbsfilms nicht hinwegtäuschen. Im Gegenteil betont die Fixierung auf fast ausnahmslos junge, attraktive Protagonistinnen nur deren Funktion als Objekte einer Altherrenphantasie, die sich hinter künstlerischer Prätention versteckt. Da entschließt sich Model Meiko (Kotone Furukawa), ihren mittlerweile mit einer Bekannten Meikos liierten Ex-Date-Partner Kazuaki (Ayumu Nakajima) zu verführen. Die hübsche Nao (Katsuki Mori) lässt sich überreden, Literaturprofessor Segawa (Kiyohiko Shibukawa) zu verführen, um mittels eines fingierten Skandals seinen Ruf zu ruinieren, verfällt jedoch der Intelligenz ihres weit älteren Opfers.
Vom Schema der jungen Frau, die sich erfolglos einer begehrten Person aufdrängt, entfernt sich die letzte Episode nur pro forma. Hier ist die vermeintliche Jugendliebe, die Nana (Aoba Kawai) in Moka (Fusako Urabe) wiederzusehen glaubt, eine Frau und beide sind älter. Doch Girl-on-Girl ist eben auch ein voyeuristisches Stereotyp. Träumerische Atmosphäre und leichthändige Inszenierung kaschieren geschickt chauvinistische Kommentare zu aktuellen Konfliktthemen. Sexuelle Übergriffe interpretiert Hamaguchi als fehlgeschlagene Verführungsversuche, geschuldet weiblicher Rache und Eifersüchtelei. Öffentliche Täterkritik wird zur Waffe im Komplott gegen hilfsbereite Intellektuelle. Das talentierte Ensemble und die spielerische Unbefangenheit der Vignetten dienen der Maskerade eines verkappten Reaktionismus.
Regie und Drehbuch: Ryusuke Hamaguchi, Darsteller: Kotone Furukawa, Kiyohiko Shibukawa, Katsuki Mori, Fusako Urabe, Aoba Kawai, Filmlänge: 121 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2021