Corpus-Christi-(c)-2019-Stadtkino-Filmverleih(1)

Corpus Christi

8
Drama

In Corpus Christi greift ein Jugendstraftäter im Priestergewand im konservativen Polen auf unorthodoxe Methoden zurück.

Daniels (Bartosz Bielenia) Fehler haben ihn über die schiefe Bahn in eine Jugendstrafanstalt in Warschau geführt. Im Gefängnis erfährt er so etwas wie Läuterung, als ihn der dort ausübende Priester unter seine Fittiche nimmt. Kurz vor seiner Entlassung gibt ihm Pfarrer Tomasz (Łukasz Simlat) eine Adresse zu einer Gemeinde am anderen Ende von Polen, in dem er Arbeit finden und ein neues Leben beginnen kann. Daniels eigentlicher Wunsch ebenfalls als Priester zu arbeiten scheint unmöglich, da ehemalige Straftäter die Ausbildung gar nicht erst absolvieren dürfen. In dem ländlichen Dorf angekommen, sucht der junge Mann allerdings nicht das empfohlene Sägewerk, sondern die Kirche auf. Als er dort die junge Marta (Eliza Rycembel) beeindrucken will, gibt sich Daniel kurzerhand als Priester aus. Wie es der Zufall will, ist der eigentliche Dorfpfarrer krank und benötigt eine Vertretung, woraufhin Daniel mal mit Hilfe des Internets, mal mittels improvisierter Ansprachen, sowohl die Gläubigen als auch die kiffenden Jugendlichen, von sich überzeugen kann. Nicht wissend kommt der falsche Prediger zwischen die Fronten eines traumatischen Vorfalls, der die Gemeinde vor einem Jahr schwer erschüttert hat.

Vorab sei gesagt, dass Corpus Christi trotz seines bedeutungsschwangeren Titels, nicht nur für „Fans“ der Kirche, sondern auch für Religionskritiker gleichermaßen ansprechend sein kann. Logischerweise steht Daniels Beruf im Mittelpunkt der Geschichte, die Kirche als Institution dient jedoch mehr als Mittel zum Zweck. Denn im Kern ist Jan Komasas fünfter Film ein Gesellschaftsdrama verfeinert mit bissiger Satire. Wie schamlos und gleichzeitig ehrlich Daniel seine neu gewonnene Machtposition zum Beispiel gegen den gierigen Bürgermeister ausnutzt, lässt den Zuseher eine Genugtuung verspüren, die man so nicht oft im Kino erfährt.

 

Wer sich nach dem Abspann fragt, welche Teile des Films tatsächlich auf wahren Geschehnissen beruhen, sollte sich nicht allzu viel erwarten. Die Betonung liegt mehr auf dem „inspiriert-“ als auf dem „-von wahren Ereignissen“. Der Regisseur bedient sich zwar eines Vorfalls bei dem sich ein junger Pole über drei Monate fälschlicher Weise als Priester ausgab, jedoch entstammt das Drehbuch hauptsächlich der Fiktion des Autors Mateusz Pacewicz. Und das ist auch gut so! Der emotionale Spannungsbogen der verschiedene Blickwinkel auf die Geschehnisse des Films wirft, ist gespickt mit großartig aufgelösten Szenen, die mal hart an die Nieren gehen, mal laut auflachen lassen.

Abgesehen von der ungewöhnlichen Handlung muss die durchwegs starke schauspielerische Leistung angesprochen werden. Wer sich nicht regelmäßig mit dem polnischen Kino auseinandersetzt wird hier wohl kaum ein bekanntes Gesicht wiederfinden, jedoch spielt hier einer besser als der andere. Das beginnt bei weniger bedeutenden Nebenrollen, wie zum Beispiel Daniels Ex-Mitinsassen (Tomasz Zietek), der ihn zuerst entlarven will, dann tränenüberströmt seine eigenen Existenzängste preisgibt. Und das endet natürlich bei dem grandiosen Hauptdarsteller, der über die Laufzeit von 116 Minuten eine so große Bandbreite an Facetten wiedergibt, dass man ihn zurecht mit dem polnischen Filmpreis ausgezeichnet hat.

Corpus Christi ist eine positive Überraschung und ein Erlebnis, dass man am besten im Kino erleben sollte. Eine mitreißende Geschichte, die man so noch nicht oft gesehen hat, mit Darstellern, die an ihre Grenzen gehen. So darf Kino aus Polen gerne öfters aussehen.

Regie: Jan Komasa, Drehbuch: Mateusz Pacewicz, Darsteller: Bartosz Bielenia, Aleksandra Konieczna, Eliza Rycembel, Tomasz Zietek, Barbara Kurzaj, Filmlänge: 116 Minuten, Kinostart: 21.08.2020