The First Avenger: Civil War
Die Russo-Brüder brechen mit dem dritten Film des Captain America-Franchise das gängige Schwarz/Weiß-Gerüst des Genres ein weiteres Mal auf und inszenieren einen Konflikt, der die Avengers in ihren Grundfesten erschüttert.
Steve Rogers (Chris Evans) und seine bunte Heldentruppe wollen in Lagos den Diebstahl einer biologischen Waffenprobe vereiteln, wobei Wanda (Elizabeth Olsen) im Eifer des Gefechts verheerende Kollateralschäden mit zahlreichen Todesopfern verursacht. Im Zuge dessen werden den Avengers die Folgen ihres Handelns der vergangenen Jahre vor Augen geführt und dazu aufgefordert, ein Dokument zu unterzeichnen, das sie unter die Aufsicht der Vereinten Nationen stellt. Während sich Tony Stark (Robert Downey Jr.) für eine politische Kontrolle ihrer Aktivitäten ausspricht, fürchtet Steve, dass die Handlungsfreiheit des Verbunds bei drohender Gefahr eingeschränkt werden könnte. Dies führt zur Verhärtung der Fronten und treibt schlussendlich einen Keil zwischen die beiden Weggefährten.
Die Entstehung bzw. Begründung des Konflikts wird von Beginn an nachvollziehbar aufbereitet und zeigt, wie man eine solche Thematik mit gegensätzlichen moralischen Standpunkten anzugehen hat. Im Vergleich dazu bewies der Genrevertreter Batman v Superman aus demselben Jahr nicht unbedingt dieses Fingerspitzengefühl. Zusätzlich wird auch der Handlungsbogen rund um den Winter Soldier (Sebastian Stan) fortgeführt und organisch in die Grundthematik des Films eingeflochten. Daraus ergibt sich ein Werk, das den Balanceakt zwischen Thriller-Elementen und dem obligatorischen Spektakel mit einer Prise Humor ganz elegant meistert. Allerdings lassen sich bei genauerer Betrachtung auch gewisse Schönheitsfehler ausmachen. So suggeriert der Film dem Publikum, dass ein Teil der Handlung in Bukarest spielen soll, nur um im nächsten Moment Beamte der deutschen Polizei zu zeigen.
Die bereits etablierte Schauspielriege liefert die gewohnt souveränen Darbietungen ab und wirkt wie ein eingespieltes Team, das auf Knopfdruck seinen Charakteren Leben einhauchen kann. Die persönliche Einstellung von Steve Rogers lässt sich aus europäischer Sicht aber in Frage stellen, da er prinzipiell als eine Identifikationsfigur der amerikanischen Gesellschaft fungiert. Im Laufe des Films werden außerdem die beiden Helden Black Panther (Chadwick Boseman) und Spider-Man (Tom Holland) in das MCU eingeführt, wobei vor allem Letzterer im Vorfeld für Aufsehen sorgte. Aufgrund der Tatsache, dass die Figur des Peter Parker innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal einen Reboot spendiert bekam, verzichtet man hier vollends auf seinen Ursprung. Tom Holland schafft es außerdem mit seiner gewitzten und leicht naiven Art der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft einen frischen Anstrich zu verpassen. Chadwick Boseman wiederum verleiht T’Challa eine gewisse königliche Aura, die der Vorlage vollends gerecht wird. Daniel Brühl als Gegenspieler Helmut Zemo ist als positive Überraschung zu werten. Seine Figur agiert recht geerdet und so kann er allein durch sein schauspielerisches Können überzeugen. Dabei wird seine persönliche Motivation für Marvel-Verhältnisse glaubwürdig herausgearbeitet, was ihn zu einem der gelungensten Antagonisten der Reihe macht.
Die visuelle Komponente bewegt sich abermals auf einem sehr hohen Niveau, da sich praktische und computergenerierte Effekte ergänzen und ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Die Actionsequenzen kommen, wie bereits in The Return of the First Avenger, sehr wuchtig daher. Sie machen insofern großen Spaß, weil bewusst auf ein ausartendes Schnittgewitter verzichtet wurde und man so immer den Überblick behält, was durch die Vielzahl an Heldenfiguren positiv hervorzuheben ist. Dies macht sich beispielsweise speziell in der Sequenz auf dem Leipziger Flughafen bemerkbar, die bereits einen ersten Vorgeschmack auf das kommende Prestigeprojekt Avengers: Infinity War bietet. Leider lässt der Film in seinen emotionsgeladenen Momenten die letzte Konsequenz vermissen und wirkt dann eher wie eine Pausenhofschlägerei und nicht wie ein Bürgerkrieg der Superhelden.
The First Avenger: Civil War nimmt seine Geschichte und Figuren aber über einen Großteil der Lauflänge ernst, wobei dies in Verbindung mit der gelungenen visuellen Umsetzung, der wuchtigen Action und dem dezent eingestreuten Humor unterhaltsames Blockbusterkino ergibt.
Regie: Anthony Russo, Joe Russo, Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely, Darsteller: Chris Evans, Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Sebastian Stan, Anthony Mackie, Don Cheadle, Jeremy Renner, Chadwick Boseman, Paul Bettany, Elizabeth Olsen, Paul Rudd, Filmlänge: 142 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 06.10.2016