Der unglaubliche Hulk
Im Zuge der allseits bekannten Solo-Abenteuer rund um Iron Man oder Captain America, die dem sorgfältig vorbereiteten Aufeinandertreffen der Avengers vorausgingen, wird die im Marvel Cinematic Universe angesiedelte filmische Adaption des grünen Muskelbergs gerne übersehen oder gar unter den Teppich gekehrt.
Vor einigen Jahren wurde der Wissenschaftler Bruce Banner (Edward Norton) durch einen biochemischen Unfall während eines geheimen Experiments radioaktiv verstrahlt und verwandelt sich seitdem, durch anhaltende Stresssituationen begünstigt, in das Wutmonster Hulk, das mit seiner übermenschlichen Physis alles in Schutt und Asche legen kann. Da das US-amerikanische Militär in Person von General Ross (William Hurt) Banners neue Kräfte für eigene Zwecke missbrauchen wollte, floh dieser kurzerhand nach Brasilien, wo er sich einerseits mit einem Job in einer Limonaden-Fabrik über Wasser hält und andererseits gemeinsam mit einem gewissen Mr. Blue (Tim Blake Nelson) nach einer Möglichkeit zur vollständigen Heilung forscht. Durch einen unglücklichen Zufall kann der General die Spur des Flüchtigen allerdings ein weiteres Mal aufnehmen und lässt seinen Bluthund Emil Blonsky (Tim Roth) von der Leine.
Man muss dem Film zu Gute halten, dass er bewusst auf das Auswalzen der Entstehungsgeschichte von Hulk verzichtet und diese stattdessen als komprimierte Eröffnungssequenz abarbeitet. Diese wurde ja bereits in der Version von Ang Lee ausführlich behandelt und bedarf somit keiner ausufernden Erklärungsarbeit mehr. Die abstrakte Note und der zum Teil störende Comicstil des geistigen Vorgängers weichen nun einer wesentlich geerdeteren Interpretation, was dem Stoff aber sichtlich entgegenkommt. Die Verpflichtung des französischen Regisseurs Louis Leterrier, der bereits für die ersten beiden Transporter-Teile auf dem Regiestuhl Platz nahm, sorgt dafür, dass der grüne Kollege in seinen Actionsequenzen nicht wieder wie ein Gummiball durch die Gegend springt. In bester Michael Bay-Manier setzt er lieber auf ausgedehnte Materialschlachten, die zwar rar gesät sind, sich aber bis zum letzten Akt immerhin stetig steigern.
Dieser Umstand liegt vermutlich auch an Edward Norton selbst, der sich angeblich mit Regisseur und Studio immer wieder zerstritten haben soll, um seiner Figur mehr Tiefe verleihen zu können. In der vorliegenden Fassung macht Bruce Banner leider keine nennenswerte Entwicklung durch und endet im Grunde wieder genau dort, wo er zu Beginn des Films war. Lediglich die wiederkehrenden Albträume lassen erahnen, in welche Richtung es hätte gehen können. Obwohl man eine Liv Tyler für das Projekt gewinnen konnte, kauft man ihr die Rolle als Mikrobiologin Betty Ross nie vollends ab und auch die Liebesbeziehung mit dem Protagonisten wirkt eher hölzern und nicht sonderlich stimmig. Da ist es fast schon bezeichnend, wenn ein ruhiger Moment zwischen der Schönheit und dem digitalen Alter Ego von Banner atmosphärischer inszeniert wird. Die beiden Gegenspieler bleiben im Verlauf des Films ebenfalls recht blass und kommen bei Weitem nicht an die subtile Darbietung eines Jeff Bridges heran. Das Drehbuch von Zak Penn hat leider auch kein wirkliches Gespür für pointierten Humor. So nimmt sich das Werk über beinahe die gesamte Lauflänge viel zu ernst und lässt in der Folge nur einen Hauch von Selbstironie zu. Lou Ferrigno, ehemaliger Hauptdarsteller der Hulk-Serie aus den späten Siebzigern und frühen Achzigern, ist in dieser Hinsicht jedoch positiv hervorzuheben.
Die technische Umsetzung des muskelbepackten Wüterichs scheint man sich zum Glück zu Herzen genommen zu haben. In nahen Einstellungen sind detailliert einzelne Muskelfasern zu erkennen, seine körperlichen Auseinandersetzungen unterhalten auf angemessenem Niveau und der Kampfschrei fährt einem in die Glieder. Im Gegensatz zur späteren Version mit Mark Ruffalo konnte Edward Norton seinerzeit nicht auf ausgeklügeltes Performance Capture zurückgreifen und trotzdem weiß sein Hulk auf eigene Weise zu gefallen.
Diese Neuinterpretation kann mit unterhaltsamer Action und einer angemessenen visuellen Umsetzung des titelgebenden Protagonisten punkten. Das schwächelnde Drehbuch macht dem Spektakel und dem Charakterdarsteller Norton allerdings einen Strich durch die Rechnung und untermauert, dass dieses ungleiche Gespann (vorerst) nur im Zusammenspiel mit den Avengers groß aufgeigt.
Regie: Louis Leterrier, Drehbuch: Zak Penn, Darsteller: Edward Norton, Liv Tyler, Tim Roth, William Hurt, Tim Blake Nelson, Filmlänge: 113 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 26.11.2008