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Glossary of Broken Dreams

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Doku

Ähnlich wie in seiner vorigen Dokumentation Traceroute widmet sich Johannes Grenzfurthner auch in seinem neuen Film Glossary of Broken Dreams einer komplexen Thematik und versucht sie spielerisch umzusetzen.

Es geht um Begriffe wie Freiheit, Privatsphäre, Identität, Widerstand, Marktwirtschaft und vieles mehr. Es geht um politisches, wirtschaftliches, soziales. Es geht um die Erstellung eines Glossars von Begriffen, die heutzutage gut und gerne und oftmals inflationär gebraucht werden, ohne oft die eigentlichen Bedeutungen dieser Begriffe und deren realpolitische Ausführung zu kennen. Es geht also um die Diskrepanz zwischen dem was gesagt wird und wie es dann letztlich auf der Welt umgesetzt wird.

Doch wie stellt man das visuell in einem Film dar? Ist das nicht eher eine Thematik für wissenschaftliche Studien oder analytische Wälzer, die niemand je lesen wird, geschweige denn verstehen will? Ein schwieriges Unterfangen also, dem sich Grenzfurthner hier mit Hilfe eines Dokumentarfilms gegenüber sieht. Glossary of Broken Dreams könnte, nicht zuletzt dank dem perfekt gewählten Titel, als so etwas wie eine Sammlung „gebrochener Wahlversprechen“ verstanden werden. Wenngleich es in keiner Weise um konkrete Wahlversprechen irgendwelcher konkreten Parteien geht – vielmehr spielt das Ganze sich hinter vorgehaltener Hand ab, ist quasi ein offenes Geheimnis. Offen für all jene, die mit aufmerksamen Augen durch die Welt gehen, ein Geheimnis für diejenigen, die sie lieber vor der Realität in der wir leben, verschließen und ständig zu Boden blicken – man erkennt letztere an ihrem gekrümmten Rücken und Gang.

Grenzfurthner bedient sich den Mitteln der Animation, Computerspielen, Puppen, dem ständigen Durchbrechen der vierten Wand, realen Aufnahmen und filmischen Dokumenten, um die ganze Vielfalt und Komplexität seiner Thematik auf die Leinwand zu bringen. Das veranschaulicht der Film eindrucksvoll und komplementiert damit seine inhaltliche Vielfalt auf visueller Ebene. So wie sich der Film gegen die schief laufenden Mechanismen der Gesellschaft stemmt, ist das Medium Film ein Angriff auf die Sinne. Manche wird das überfordern, keine Frage, andere werden genau das als brillant bezeichnen. Problematischer wird es da jedoch mit der Fülle an Informationen und Stimmen, die da auf den Zuschauer einschlagen – und es ist manchmal wirklich wie ein wahrer Einschlag -, fertig zu werden. Glossary of Broken Dreams erschlägt einem förmlich mit einer Flut an Informationen, es fühlt sich stellenweise so an, als würde man sich den gesamten Inhalt von Wikipedia mittels eines USB-Sticks mitten ins Gehirn jagen, eine Überdosis Internet eben.

Der Untertitel sagt “A Film paved with good intentions.” Keine Frage, die guten Absichten sind da und sind lobenswert und beachtlich, aber was hat man davon, wenn man die Thematik geistig nicht mehr verarbeiten kann? Grenzfurthners neue Dokumentation ist sehenswert, ein visuell und inhaltlich beachtliches Unterfangen, mit Leidenschaft und Hingabe realisiert, doch es ist oftmals einfach zu viel in zu kurzer Zeit. Man kann sagen, wer sich auf die Thematik stürzt, der wird unweigerlich davon erschlagen, wer sich jedoch von der visuellen Vielfalt und Einfallsreichtum davontragen lässt, der kann sich eines originellen Dokumentarfilms erfreuen.

Regie: Johannes Grenzfurthner, Drehbuch: Johannes Grenzfurthner, Ishan Raval, Darsteller: Johannes Grenzfurthner, Charlie Poulon, Daniel Hasibar, Stuart Freeman, Filmlänge: 99 Minuten, gezeigt auf der Diagonale 2018