The Hunter
Die grimmige Entschlossenheit, mit welcher der Titelcharakter von Daniel Nettheims harschem Charakterdrama seinen Auftrag erfüllt, spiegelt die der Inszenierung.
Willem Dafoe, der auf der Berlinale dieses Jahr mit dem Goldenen Ehrenbär für sein Lebenswerk geehrt wird, spielt den schweigsamen Einzelgänger namens Martin David mit einer tiefen Resignation, einer Trauer über die Abstumpfung einer Welt, in der er selbst sich wie ein Relikt fühlt. Der Protagonist von Julia Leighs gleichnamigem Roman sucht im Dickicht des tasmanischen Dschungels nach einer Kreatur, die wie er keinen Platz mehr in dieser Welt hat. Die Kamera begegnet einer Landschaft voller Erhabenheit, die sich entschlossen zu haben scheint, das sagenumwobene Wesen zu verbergen.
Im Grenzgebiet zwischen Realität und Mythos haust der Thylacinus cynocephalus. 1936 stellte die tasmanische Regierung den Beutelwolf unter Naturschutz, zwei Monate, bevor das letzte Exemplar in Gefangenschaft starb. Grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahmen und zoologische Beschreibungen bleiben von dem faszinierenden Raubtier. Unzuverlässige Augenzeugenberichte führt David im Auftrag eines Militärkonzerns auf Fährtensuche. Bei der tablettenabhängigen Umweltaktivistin Lucy (Frances O’Conner) und deren Kindern Sass (Morgana Davis) und Bike (Finn Woodlock) findet er einen Ruhepol, der seine selbst gewählte Isolation zaghaft aufbricht. Doch damit hat der Fallensteller sich selbst in einem seelischen Dilemma gefangen. Vor der in morastige Farben getauchten Kulisse entfaltet sich ein leiser Thriller, der zugleich ökologische Mahnung und bittere Parabel ist.
David kommt als Gesandter einer kaltblütigen Zivilisation, die der Natur und ihrer Menschlichkeit entfremdet ist. In dem scheuen Tier sehen Davids Auftraggeber nur ein Werkzeug ihrer zerstörerischen Mission. Den Tasmanische Tiger, wie der Beutelwolf noch genannt wird, inszeniert Nettheim als eine Art Totem, das die Verletzlichkeit und Reinheit verkörpert, die David schon lange verloren hat. Der innere Kampf des Protagonisten spiegelt den äußeren Kampf, indem die Natur sich unerwartet als seine Verbündete zeigt. Es sei besser, sie würde ausgerottet, sagt Lucy von der Kreatur, deren unberührte Wildheit industrielle Korruption nur ausbeuten kann. Diese traurige Erkenntnis ruht in dem Blick, der nicht nur den Jäger lange nach dem Abspann verfolgt.
Regie: Daniel Nettheim, Drehbuch: Julia Leigh, Alice Addison, Wain Fimeri, Darsteller: Willem Dafoe, Sam Neill, Dan Wyllie, Frances O’Connor, Sullivan Stapleton, Filmlänge: 97 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2018