Lady Macbeth
Trostlosigkeit ist die Wurzel des Bösen in William Oldroyds fesselndem Spielfilmdebüt und der Regisseur so gnadenlos und gerissen in deren Überwindung wie seine Antiheldin.
Die von der grandiosen Florence Pugh verkörperte Titelfigur ist in ihrer ausweglosen Lage lieber Täterin als Opfer und bemisst die Grausamkeit ihrer Taten an der ihrer Existenzumstände. Letzte bestimmt eine Monotonie, die alles abstumpft. Auch das Gewissen der werdenden Serienmörderin. Die komplexe Adaption von Nikolai Leskovs Verbrechenschronik Lady Macbeth von Mtsensk tauscht die Kulisse der russischen Provinz gegen Englands kaltes Hochland. Dort vegetiert die junge Katherine als Gefangene in ihrem Haus und der pathologischen Besitzehe mit dem gealterten Alexander (Paul Hilton).
Der wahre Hausherr ist Alexanders Vater Boris (Christopher Fairbank), der Katherine für das Ausbleiben eines Erben verantwortlich macht. Die Ehe, deren Zeremonie den Plot eröffnet, ist ein reines Zweckgeschäft, das beiden Parteien widerstrebt. Alexander verachtet seine Braut grundlos und zieht aus ihrer Unterdrückung perversen Genuss. Das gleiche sadistische Machtgefüge existiert umgekehrt zwischen ihm und Boris, der den erwachsenen Sohn eisern kontrolliert. Menschlichkeit und Mitgefühl sind abwesend in den spartanischen Räumen, deren Zustand subtil das Gefühlsleben der Protagonisten andeutet. Das Haus könne sehr kalt werden, sagt Alexander wie zur Einstimmung auf die emotionale Eiszeit, die Katherine in dem ihr zugewiesenen Käfig materieller Abhängigkeit erwartet.
In ausgleichender Gerechtigkeit übertrifft sie schließlich Vater und Sohn an Kaltblütigkeit. Ihr Komplize ist Hofarbeiter Sebastián (Cosmo Jarvis), den sexuelle Gier und Opportunismus in Katherines Arme treiben. Während Sebastiáns Zuneigung ebenso geheuchelt und egoistische ist wie die späte Reue über die Verbrechen, die dem Paar kurzzeitig Freiheit verschaffen, ist Katherines Leidenschaft echt. Hinter Pughs ungerührter Miene lodert ein Feuer, das jeden verbrennt, der es ersticken will. Den vieldeutigen Kontrast reflektiert der Gegensatz von statischen Innenaufnahmen und rauer Landschaft. Dort erinnert die Protagonistin tatsächlich an das, als was sie bezeichnet wird: ein wildes Tier, dessen unzähmbarer Freiheitsdrang natürlicher ist als die verkommenen Kleinbürger, die es einkerkern.
Regie: William Oldroyd, Drehbuch: Alice Birch, basierend auf dem Roman von Nikolai Leskovs, Darsteller: Florence Pugh, Cosmo Jarvis, Paul Hilton, Naomi Ackie, Christopher Fairbank, Filmlänge: 89 Minuten, Kinostart: 01.12.2017