On-the-Road-(c)-2017-Michael-Winterbottom,-Berlinale

On the Road

4
Doku-Drama

Sieht so aus als habe jemand eine Tourdoku über die Indie-Rocker Wolf Alice gedreht und einen Berg Überschussmaterial auf dem Boden des Schneideraums liegen zu lassen. Dann kam Michael Winterbottom und dachte sich, dass es mal wieder Zeit für einen Film wäre.

Die Nordlondoner Truppe mit Gitarristin Ellie Rowsell hinterm Mikro, Joff Odie an der zweiten Gitarre, Drummer Joel Amey und Theo Ellis am Bass ist schwer im Kommen. Eine erfolgreiche Alternative-Crew, die dem Regisseur kurz vorm Seniorenalter richtig jugendlich-hipp wirken lassen sollen. Dumm nur, dass die zusammengestückelten Filmschnipsel keine abendfüllende Länge ergaben.

Also schnappte sich Winterbottom die talentierte Newcomerin Leah Harvey und verpasste ihr die Rolle der Estelle. Als junge Fotografin begleitet sie die Band auf Tournee durch Irland und Großbritannien, um die geballte Coolness einzufangen. Jede Konzertstadt steht in stylisher Blockschrift auf der Leinwand: Glasgow, Liverpool, Dublin. Sieht verdammt gut aus und klingt gut, dank des rauen Gitarrensounds der entspannten Musiker auch so. Gespickt wird die Endlosabfolge von Konzertbildern und locker-relaxten Momenten im Bus von unnötigen Sexszenen. Für eine Portion voyeuristischer Erotik oder was sein Altherrenblick dafür hält, ist der Regisseur immer zu haben. Eine substanzielle Story oder ein in03formativer Dokumentarfilm kommt dabei nicht zustande. Doch mit etwas Glück fällt das niemandem auf, solange die Optik stimmt.

Vom an Kerouacs überschätzten Kultroman erinnernden Titel bis zur auf Grunge-Look getrimmten Handkamera wirkt das ungelenke Hybridkino wie ein Snobkind, dass sich die Markenjeans zerfetzt, um als Punk durchzugehen. Weder entsteht ein realistischer Einblick in den strapaziösen Tour-Alltag, der hier nicht spannender als eine Klassenfahrt erscheint, noch funktioniert die willkürliche Affäre zwischen Estelle und dem selbstgefälligen Roadie Joe (James McArdle) auf dramatischer Ebene. Die stereotypen Figuren bleiben austauschbar und konturlos, schlimmer, die uninspirierte Chronik lässt sogar die echten Protagonisten seltsam gekünstelt wirken. Paradoxerweise erreicht der Beitrag zu Berlinale Generations damit das Gegenteil einer soliden Doku: er rückt das echte Leben weiter weg.

Regie: Michael Winterbottom, Darsteller: Shirley Henderson, Paul Popplewell, James McArdle, Leah Harvey, Filmlänge: 112 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2017