Florence Foster Jenkins
Stephen Frears verklärter Blick auf die letzten Tage der berühmten Gesellschaftsdame Florence Foster Jenkins spielt sich wie eine alte Darbietung der unrühmlichen Sängerin ab. Jede Passage ist überspitzt oder verflacht, die Gefühle sind Pathos und die Kulissen Kitsch. Imposant ist einzig die engagierte Hauptfigur.
In den exzentrischen Kreisen der amerikanischen Upperclass war das Anfang des letzten Jahrhunderts die Titelheldin, auf der Leinwand ist es Meryl Streep. Sie verleiht ihrer an der Grenze zur Karikatur angelegten Figur Nuancen überraschender emotionaler Tiefe und weckt beim Publikum echtes Interesse. Beim Regisseur leider nicht. Für Frears ist Jenkins nur ein schrilles Vehikel, um die Geschichte der Männer in ihrem Leben zu erzählen. Besonders angetan hat es ihm Jenkins Lebenspartner St. Clair Bayfield (Hugh Grant). Der mittellose Schauspieler ist auf der Bühne mindestens so untalentiert wie seine Geldgeberin, doch im Gegensatz zu ihr wird er galant und empathisch in Szene gesetzt. Dabei ist er bloß ein Schmarotzer, der in der arg romantisierten Biografie zum ritterlichen Beschützer der hilflosen Dame wird.
Jenkins, die ungeachtet ihrer stimmlichen Fiasko offenbar eine entschlossene und einflussreiche Frau war, wird zum verschreckten Häschen. „Bunny“ und „Rabbit“ nennt sie Bayfield, der als eine Mischung aus Manager und berufsmäßigem Charmeur fungiert. Die traurige Vergangenheit, die Jenkins wiederholt andeutet, wird übergangen, ihre starke Persönlichkeit auf die eines abhängigen Frauchens reduziert. Da eine gleichaltrige Partnerin für Männer auf der Leinwand immer noch als unzumutbar gilt, trifft Bayfield in einem von Jenkins finanzierten Apartment seine jüngere Geliebte Kathleen (Rebecca Ferguson).
Eine Affäre hat laut der Story ein hartarbeitender Mann verdient und Bayfields Arbeit ist hart. Sie besteht daraus, die Seifenblase um Jenkins vor dem Platzen zu bewahren. Zuschauer für ihre Vorstellungen müssen penibel aussortiert und Reporter bestochen werden. Korruption bei der Presse ist hier ein Zeichen von Anstand. Nur ein gemeiner Schmierfink wie Earl Wilson (Christian McKay) von der Post besteht darauf, die Wahrheit zu schreiben. Den aufgeblasenen Egos der Hautevolee muss geschmeichelt werden, auch wenn noch so viele schiefe Töne durch die Carnegie Hall schallen.
Routinierte Manipulation und das Belügen von vertrauensseligen Menschen rückt der Plot in ein zärtliches Licht. Dass der junger Pianist Cosmé McMoon (Simon Helberg) auf das großzügige Gehalt nicht verzichten kann, ist noch nachvollziehbar. Dass die engsten Vertrauten der Heldin sie angeblich aus Zuneigung in eine öffentliche Blamage, die sie bis in den Tod verfolgt (siehe Frears Film, den auf der gleichen Story basierenden Madame Marguerite und diverse andere Adaptionen), rennen lassen, nicht.
Die Häme über die durch fortgeschrittene Krankheit verwirrte Sängerin wird oberflächlich verurteilt, unterschwellig jedoch angestachelt. Dabei fasziniert der schmähliche Ruhm der Protagonistin gerade als historische Parallele zu modernen Casting-Shows, bei denen die meisten Leute nicht wegen der begabten Kandidaten einschalten. Doch die dubiose Moral der schiefen Kinoarie zelebriert verkappte Schadenfreude und verlangt im selben Atemzug, dass den Launen der Elite gefälligst nachgegeben werde. Diese subtile Paarung von Grausamkeit und Arroganz gibt dem federleicht anmutenden Singspiel einen unangenehmen Nachklang.
Regie: Stephen Frears, Drehbuch: Nicholas Martin, Darsteller: Meryl Streep, Hugh Grant, Simon Helberg, Rebecca Ferguson, Filmlänge: 111 Minuten, Kinostart: 25.11.2016