Only Lovers Left Alive
Wer wahrhaft liebt, will ewig leben. Die Suche nach Unsterblichkeit (der Liebe) drückt sich in keiner Figur so stark aus wie im Vampir. So findet sich das Motiv auf die eine oder andere Art in allen großen filmischen Vampirerzählungen der letzten Jahrzehnte. Dass sich nun auch Jim Jarmusch dem Thema widmet, ist überraschend – oder auch nicht. Jarmuschs neuester Film, Only Lovers Left Alive, erzählt eine Episode aus dem Leben des Liebespaars Adam (Tom Hiddleston) und Eve (Tilda Swinton). Adam lebt in Detroit, in einem desolaten Haus, voll analogem E-Musikgerät vergangener Zeiten und ist seines Daseins müde, woraufhin seine Frau Eve, die in Tanger lebt, zu ihm reist. Sie sind Vampire und ernähren sich von Menschenblut, das sie sich über „Dealer“ beschaffen. In Detroit ist es ein Arzt, der Adam mit Blutkonserven versorgt, in Tanger erhält Eve ihren erlesenen Stoff von Christopher Marlowe (John Hurt), der nicht nur zufällig den Namen des Dichters trägt, sondern diesen verkörpert und sich zudem als der wahre Verfasser der Shakespearschen Dramen versteht.
Der Film ist gespickt mit großen Namen und Verweisen auf die Kulturgeschichte. Adam und Eva waren die ersten Menschen, erscheinen in Jarmuschs Interpretation aber zugleich als die letzten, die letzten Bewahrer humanistischer Werte. Kultiviert, gebildet, edel und gut betrachten sie die Menschen als eine Horde Zombies, die nicht aus der Geschichte und den eigenen Fehlern lernt. Dieser Blickwinkel macht Jarmusch trotz aller stilistischen Unterschiede besonders zeitgemäß, denn auch in Filmen wie Twilight oder Serien wie True Blood und The Vampire Diaries erscheinen manche Vampire als die besseren Menschen und was sie antreibt, ist die Liebe.
Der Film ist stark, wo er melancholisch ist. Jarmusch erzeugt mit Hilfe der Bilder des Kameramanns Yorrick Le Saux und einer mäandernden Musik, in deren Rhythmus sich die Figuren (allen voran Eve) bewegen, einen Ausdruck für das haltlose Gefühl, keinen Platz in der Welt und der Gesellschaft zu haben und keinen Anschluss an den zeitgenössischen Geist zu finden. Zugleich symbolisieren sie den Zustand des Rausches, den die Einnahme von Blut, aber auch die Liebe erzeugen. Die Bilder von Detroits Industrieruinen unterstreichen den Eindruck des Verfalls und kulminieren in einer Szene im einst luxuriösen, aber nun zu einem Parkplatz umfunktionierten Kinosaal des Michigan Theatre, in der Adam den Untergang der Kultur beklagt.
Die Versatzstücke vampirischer Sujets sind kühl eingesetzt. Vampirismus steht als Metapher für einen Lebensstil, wie auch für Einsamkeit und Anachronismus. Die Neigung der Vampire zu Kunst und Kultur, zu Wissen und Erkenntnis, das sie sich über ihre lange Existenzdauer aneignen, kommt in den Dialogen zum Einsatz und ist in ihrer Fähigkeit begründet, Bücher oder auch Menschen mit den Händen zu „lesen“, indem sie über deren Oberfläche streichen. Das Trinken von Blut und das Versiegen der Quelle sowie der Auftritt von Eves Schwester (Maria Wasikowska), die mit klassischen Vampir-Eigenschaften wie Egoismus und Unersättlichkeit ausgestattet ist, bilden einen Handlungsstrang, der relativ bedeutungslos ausfällt.
Only Lovers Left Alive ist ein charmanter Jarmusch-Film, der vor allem von seinen SchauspielerInnen und seiner Atmosphäre profitiert. Etwas Enttäuschung lässt er aufgrund der Handlungsarmut und seines manchmal flachen Witzes dennoch zurück. So fügt Only Lovers Left Alive der Filmgeschichte ein hinreißendes Liebespaar hinzu, denn schlussendlich bleibt vor allem eines, die Liebe – auch die zu Kunst und Kultur.
Regie und Drehbuch: Jim Jarmusch, Darsteller: Tilda Swinton, Tom Hiddleston, Mia Wasikowska, John Hurt, Anton Yelchin, Laufzeit: 123 Minuten; Kinostart: 25.12.2013, only-lovers.pandorafilm.de