Abgeschnitten
Schnitzeljagd mit Leichen – so beschreibt Comic-Zeichnerin Linda (Jasna Fritzi Bauer) die schematische Spurensuche, die Gerichtsmediziner Dr. Paul Herzfeld (Moritz Bleibtreu) und sie in diversen Körpern veranstalten.
Was dabei neben Kunstblut und -eingeweiden ans Licht kommt, ist weniger originell als eine Überraschungseikapsel. Eine solche finden Ersatz-Pathologin Linda und ihr widerwilliger Assistent Hausmeister Ender (Fahri Yardim) in einem der austauschbaren Toten. Die sind der Köder, mit dem das abstruse Generikum aus CSI, Nightwatch und Kinderkrimi nach Publikum fischt, während Suspense und Logik qualvoll dahin siechen.
Ekliger als die wenig überzeugenden Körperattrappen ist der kalkulierte Voyeurismus der zähen Inszenierung, in der psychologische Spannung durch plumpe Kreuzworträtsel-Taktik ersetz und fabulierte Grusel-Atmosphäre zur Selbstkarikatur wird. Unfreiwillig komisch klingt bereits die Prämisse: Linda und das Leichenschauhaus befinden sich auf Helgoland und Helgoland ist: Abgeschnitten! Wegen Sturmwarnung zwischen Reetdachhäusern festzusitzen – voll der Horror. Damit keiner an Langeweile stirbt, bevor der herumlaufende Psycho-Killer (Lars Eidinger) sein Werk verrichten kann, hat Linda Paranoia und Herzfeld am Handy, das immer überall wunderbaren Empfang hat.
Noch zuverlässiger als der Mobilfunk ist der Pannendienst, der binnen Minuten im Nirgendwo auftaucht, um für den Dr. und dessen übereifrigen Praktikanten Ingolf (Enno Hesse) Helikoptertaxi zu spielen. Hirnverbrannte Wendungen dieser Art sind die Essenz der Adaption des gleichnamigen Bestsellers Sebastian Fitzeks, zu dem Michael Tsokos die profunden Fachkenntnisse beisteuerte: „Nur Leichen riechen wie Leichen.“ Wow, wieder was gelernt. Dafür spendiert Regisseur Christian Alvart gleich ein Cameo, das alberner wirkt als die fortlaufenden Spontan-Sektionen. Spaßig ist die verworrene Handlung trotz aller Lachhaftigkeit nicht.
Zu abgeschmackt ist die effektheischende Exposition sexueller Folter parallel zur fadenscheinigen Anklage eines Justizsystems, das Sexualverbrechen, wenn überhaupt, mit sympathisierender Milde ahndet. Den verlogenen Moralismus unterstreicht ein rabiater Aufruf zu Vigilantismus, den der von seiner Vorschriftstreue geläuterte Held in einem hanebüchenen Slasher-Epilog schließlich erhört. Da hilft es auch nichts, dass Linda pseudo-philosophisch rätselt: “Wieso beschäftigen wir uns so wenig mit dem Tod?“ Im Fall der lüsternen Leichenfledderei im Trash-TV-Look ist die Antwort klar: weil es entnervend ideenarm und dramaturgisch intelligenzbeleidigend ist.
Regie: Christian Alvart, Drehbuch: Christian Alvart, basierend auf dem Roman von Sebastian Fitzek und Michael Tsokos, Darsteller: Moritz Bleibtreu, Lars Eidinger, Enno Hesse, Barbara Prakopenka, Jasna Fritzi Bauer, Fahri Yardim, Urs Jucker, Filmlänge: 132 Minuten, Kinostart: 12.10.2018