Dredd
Mit Dredd findet eine Comic-Ikone ihren Weg zurück auf die Leinwand. Ein Actionepos in einer düsteren, dreckigen Zukunft und mit einem gnadenlosen Protagonisten im Zentrum.
Mega-City One ist ein gigantischer Moloch und das Einsatzgebiet von Judge Dredd (Karl Urban). Mord und Totschlag sowie Verbrechen und Gewalt sind an der Tagesordnung, wenn Menschen in einem viel zu kleinen Gebiet eingepfercht leben. Die sogenannten Judges sind Polizei, Richter und Vollstrecker in einer Person und entscheiden an Ort und Stelle über das Schicksal der Delinquenten. Sie sind die einzige Bastion gegen das Chaos innerhalb der Stadtgrenzen.
Zusammen mit seiner neuen Rekrutin Judge Anderson (Olivia Thirlby) untersucht Dredd einen Mord im Wohnkomplex „Peach Trees“ und legt sich dadurch mit der dortigen Herrscherin Ma-Ma (Lena Headey) an, die mit eiserner Macht über ihr Drogenkartell herrscht. Kaum ist das Hochhaus – vielmehr eigentlich eine Stadt in der Stadt – abgeriegelt, setzt sie auf die beiden Judges ein Kopfgeld aus. Es gibt kein Entkommen und Dredd muss sich zusammen mit seinem Schützling dem Kampf gegen Ma-Ma und ihrer Gang stellen. Obwohl das Handlungsgerüst denkbar einfach ist (und die Verlagerung auf eine einzige Location wohl auch aus Kostengründen herangezogen wurde), gelingt es Regisseur Pete Travis und Drehbuchautor Alex Garland dennoch auf eindrucksvolle Weise, eine unglaublich dichte und spannende Atmosphäre aufzubauen – nicht zuletzt dank der überaus detaillierten Ausarbeitung eben jenes Setting, dem Wohnblock Peach Trees. Dredd bietet endlich mal wieder eine wirklich schmutzige, verdreckte und daher besonders lebendige Zukunftsvision. Hier ist nichts auf Hochglanz poliert, wenn Dredd in die Abgründe der menschlichen Zivilisation absteigt und Verbrecher aufmischt.
Auch die Weigerung der Filmemacher, ihren Streifen inhaltlich abzuschwächen, um etwas kindgerechtere Unterhaltung für ein möglichst breites Publikum aufzutischen, zeugt von Mut. Dredd ist brutal, Dredd ist rabiat und vor allem: Dredd nimmt keine Gefangenen. Von der ersten bis zur letzten Minute wird hier Action pur geboten. Obwohl die Handlung eines Polizisten in einem von Verbrechern besetzten Hochhaus seit Stirb Langsam nichts Neues darstellt und erst kürzlich in The Raid abermals wiederverwertet wurde, zeigt Dredd dennoch eindrucksvoll, das diese Setting ein überaus guter Nährboden für spannende, nervenaufreibende Action ist. Ein weiteres, nicht minder wichtiges Puzzleteil für die Qualität dieses Streifens sind natürlich seine Figuren. Obwohl im ganzen Verlauf der Geschichte nur die untere Gesichtshälfte des Protagonisten zu sehen ist, liefert Karl Urban dennoch eine beeindruckende Performance ab und zeigt (wie erst kürzlich Tom Hardy in The Dark Knight Rises), was ein guter Schauspieler selbst dann zu leisten imstande ist, wenn man nur einen Teil seines Gesichtes sieht. Es ist aber vor allem Urbans physische Präsenz, die der Figur des Judge Dredd Autorität verleiht und ihn zu einer beeindruckenden Figur macht.
Obwohl Dredd der Held dieses archetypischen Actionfilmes ist, so erweist er sich trotz allem nicht als positiver Protagonist, nicht mal als Antiheld. Dredd ist vielmehr ein negativer Held: gewaltbereit, brutal – ein beinahe faschistoider Vertreter eines gnadenlosen Rechtsystems. Trotzdem kommt man nicht umhin, sich als Zuschauer erschrocken dabei zu ertappen, dass man seine Handlungen nachvollziehen kann. In einer Welt kurz vor dem Abgrund ist er womöglich die vernünftigste und einzige Alternative, um zumindest noch einen Funken an Anstand und Gerechtigkeit aufrecht zu erhalten. Ihm entgegen steht eine besonders diabolische Lena Headey (Game of Thrones, 300), die sichtlich Spaß an ihrer Rolle als machthungrige und zu allem entschlossene Antagonistin hat. Ihr ist jedes Mittel recht, um den Judge auszuschalten – Angst ist ohnehin ein Fremdwort für sie. Olivia Thirlby bildet den emotionalen Kern der Figurenkonstellation und ist gleichzeitig zwischen Pflichtbewusstsein und ihrer Menschlichkeit (sprich dem Verständnis für manche Täter) hin- und hergerissen.
Als einziges (wenn auch kleines) Manko lässt sich an Dredd nur der weitgehende Mangel an (Selbst-)Ironie und Zynismus ausmachen, der – und das muss erwähnt werden – in Sylvester Stallones Judge Dredd sehr wohl vorhanden und stärker ausgeprägt war als hier. Es gibt zwar durchaus betreffende Momente, doch sind diese spärlich gesät. Für so manchen dürfte auch die Brutalität des Films (manchmal) hart an der Grenze vorbeischlittern, jedoch passt sie stets zur Atmosphäre der dargestellten Welt. Abgesehen davon ist Dredd nicht nur eine der besten Comicverfilmungen, sondern auch einer der besten Sci-Fi Actionfilme seit langem.
Regie: Pete Travis, Drehbuch: Alex Garland, Darsteller: Karl Urban, Olivia Thirlby, Lena Headey, Wood Harris, Laufzeit: 96 Minuten, Kinostart: 15.11.2012