Amsterdam
Es erfordert einen besonderen Grad an perversem Zynismus, dass ein für Misshandlung und Beschimpfung seiner Untergebenen berüchtigter Regisseur in einem Film darüber lektoriert, wie Nächstenliebe und herzliches Miteinander die Welt verbessern. Dass der gleiche Regisseur, dessen tyrannisches Verhalten mit seinem vorgeblichen kreativen Genie gerechtfertigt wird, in besagtem Film vor skrupellosen Geschäftsleuten warnt, die Missetaten mit der Verwirklichung ihrer megalomanischen Visionen rechtfertigen.
Und dass eben jener Regisseur, der seine 19-jährige trans Nichte sexuell belästigt und dies mit medizinischer Neugier abtut, innerhalb der Handlung in der selbst verfassten, lose auf Tatsachen basierenden Handlung jenes Films therapeutische körperliche Modifikationen als sexualisierten Fetisch ausstellt.
Der Regisseur ist David O. Russell und Amsterdam der auf den Trend an Krimi–Komödien im Retro-Look aufspringende Film. Der wäre auch mit anderer Regie unsäglich zerfahren, humorlos, flach in der Charakterisierung der Überzahl starbesetzter Figuren und überfordert mit selbstaufgeladenem Geschichtsgewicht.
Die beiläufige Thematisierung antisemitischer, genderbasierter und rassistischer Diskriminierung, die Freundes-Trio Burt (Christian Bale), Valerie (Margot Robbie) und Harold (John David Washington) begegnet, dient deren unterschwelliger Bagatellisieren und Negierung. Ebenso gestrig ist das Rollenbild kriegskaputter Männer und maskenhaft makelloser Frauen, die in bühnenhaften Kostümen gestelzte Dialoge vortragen: von Liebe, Respekt und einer besseren Welt – wohl ohne Filme wie diesen.
Regie und Drehbuch: David O. Russell, Darsteller: Christian Bale, Anya Taylor-Joy, Margot Robbie, Robert De Niro, Zoe Saldaña, Michael Shannon, Timothy Olyphant, Rami Malek, Mike Myers, Andrea Riseborough, Taylor Swift, John David Washington, Alessandro Nivola, Rebecca Wisocky, Chris Rock, Matthias Schoenaerts, Filmlänge: 134 Minuten, Kinostart (Deutschland): 03.11.2022