Der schlimmste Mensch der Welt
Nichtmal der Titel Der schlimmste Mensch der Welt beschäftigt sich tatsächlich mit der vorgeblichen Hauptfigur Joachim Triers banaler, bornierter Beziehungskiste. Deren Regisseur und Co-Autor suggeriert tiefgreifende Einblicke in die weibliche Psyche und enthüllt dabei nur seinen ebenso reaktionären wie reduktiven Blickwinkel auf Genderrollen sowie anhand des Erfolgs seiner romanesken Romanze das ungebrochene gesellschaftliche Bedürfnis nach den darin rezipierten konservativen Narrativen.
Bereits die patriarchalische Prämisse konterkariert den aufgeklärten Gestus, den spekulative Nacktheit und das Schlagwort „Menstruation“ der mäandernden Melodramödie andichten sollen. Mit dreißig ist Julie (lebhaft: Renate Reinsve) beruflich neuorientiert, ledig und kinderlos: ein Zeichen neurotischer Unentschlossenheit, artikuliert Trier durch Julies Partner Aksel (Anders Danielsen Lie).
Der deutlich ältere Comic-Autor ist der eigentliche Hauptcharakter, dessen Werk die in zwölf Kapitel unterteilte Story weit mehr Raum einräumt als Julies Schriftstellerei und Fotografie. Beides dient der auf ihre Sexualität reduzierten Protagonistin lediglich zum Anbandeln mit Männern, über die Trier sie definiert. Ohne Intellekt und Individualität bleibt Julie reine Projektion dessen, was sie für Aksel und seinen Nachfolger Eivind (Herbert Nordrum) wird: Ausflucht aus einer frustrierenden Beziehung oder Behelf bildungsbürgerlicher Beständigkeit.
Jene ist ehernes Ideal der eklektischen Episoden. Die diskreditieren weibliches Umwelt- und Sozialengagement als Selbstvermarktung, aber verbrämen chauvinistische Vulgarismen aus Männerhand als gesellschaftskritische Kunst – und wird darin kommerziell bestätigt.
Regie: Joachim Trier, Drehbuch: Joachim Trier, Eskil Vogt, Darsteller: Renate Reinsve, Anders Danielsen Lie, Maria Grazia Di Meo, Herbert Nordrum, Mia McGovern Zaini, Hans Olav Brenner, Filmlänge: 128 Minuten, Kinostart: 13.05.2022