My Thoughts Are Silent
Neben Arthouse-Kino und Mainstream-Filmen findet man auf der Viennale auch allerhand Filme, die schwierig einzuordnen sind. Auch nach der ukrainischen Komödie My Thoughts Are Silent (Moi dumky tykhi) geht man mit gemischten Gefühlen aus dem Kino.
Der 22-jährige Vadym (Andriy Lidagovskiy) verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Aufzeichnen unterschiedlichster Geräusche für Filme oder Videospiele. Er träumt davon endlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu entkommen und im Westen groß Karriere zu machen. Ein neuer Job eröffnet ihm diese Möglichkeit. Er soll das Geräusch eines sehr seltenen Vogels aufzeichnen, der nur im ukrainischen Teil der Karpaten zu finden ist. Um seinen Traum zu verwirklichen begibt sich Vadym, zusammen mit seiner Mutter auf eine wahre Odyssee.
Das Grundsetting von My Thoughts Are Silent ist wahrhaftig gemacht für eine groteske Komödie. Der ukrainische Regisseur Antonio Lukich schöpft dieses komödiantische Potential nur sehr gering aus. Der Filmemacher war während des Screenings zu seinem Film bei der Viennale anwesend und beschrieb seinen Film so: „A Story about a tall guy.“ Es stimmt, der Hauptdarsteller ist wirklich groß, nämlich an die 210 cm. Leider ist der angesprochene Zugang zur Geschichte ein falscher. Es ist zu wenig Comedy vorhanden und zu viel Drama. Klar, das Genre „Dramedy“ existiert und wenn der ukrainische Regisseur beabsichtigt hat, einen solchen Film zu machen, dann ist alles top. Jedoch merkt man My Thoughts Are Silent nicht an, als wären die tragisch-komischen Szenen gewollt inszeniert. Vielmehr ist auffallend, dass versucht wird eine Komödie zu machen, dies jedoch sehr inkonsequent. Einige Szenen haben wirklich guten Humor. Bleiben in der gesamten Dramaturgie jedoch nur einzelne starke Sketche. Es fehlt an narrativem Klebstoff, der alles zusammenhält. Die Geschichte wirkt lose und ist sehr sprunghaft. Durch diesen inkonsequenten Genre-Mix entsteht ein groteskes Gefühl, das sich aufs Publikum ausbreitet. Man weiß nicht genau was man gerade anschaut. Zwischendurch gibt es wenigstens immer wieder einen Grund zum Lachen. Leider merkt man, dass der Regisseur vor diesem Film nur Kurzfilm gemacht hat und Langfilm doch ein anderes Format ist.
Nicht nur dem Storytelling und der Inszenierung merkt man den debüthaften Charakter an, sondern auch dem körperlich großen Darsteller der Hauptfigur. Belanglos, energielos und träge unterspielt der Hauptdarsteller die doch interessante Figur von Vadym. Auch er hat vor My Thoughts Are Silent nur in einem Kurzfilm mitgespielt, dem von Antonio Lukich. Wie die Narration, weiß auch Lidagovskiy nicht wohin mit dem Charakter, außer, dass er in die Karpaten möchte. Aber auch das Ende des Films ist eher unbefriedigend, obwohl man hier wieder nicht weiß, ob der dramaturgische Klimax bereits vorbei ist, oder ob er überhaupt stattgefunden hat. Es wäre außerdem interessant gewesen, wie ein ukrainischer Film, der in der Ukraine spielt, mit der dortigen politischen Situation umgeht. Stattdessen ignoriert My Thoughts Are Silent diese völlig, was ebenfalls verschenktes Potential ist, ein wenig direkte oder indirekte Gesellschaftskritik anzuführen. Das einzige konsequente im Film ist der elektrisierende Score und die nüchternen Bilder. Beide Komponenten passen zum generellen Gefühls-Misch-Masch, welches dieser Film vermittelt.
Das Langspielfilmdebüt von Antonio Lukich ist eine groteske „Dramedy“, die ihr komödiantisches Potential in der Grundgeschichte komplett verschenkt und in Narration und Dramaturgie inkonsequent bleibt. Ein Film der bestimmt Anklang findet bei so manchem Publikum, den Großteil der Zuschauerschaft jedoch leider nicht überzeugen wird.
Regie: Antonio Lukich, Drehbuch: Valeria Kalchenko, Antonio Lukich, Darsteller: Irma Vitovska-Vantsa, Andriy Lidagovskiy, Filmlänge: 104 Minuten, gezeigt auf der Viennale 2019