Prey
Prey ist ein Sci-Fi-Shooter, der in den Videospielmedien die Runde machte. Kreiert von den Machern von Dishonored, will sich der Hivemind nicht so recht einig werden, ob es sich dabei um das nächste Half Life handelt oder es doch nur zum faden Rohrkrepierer reicht.
Ich gehe an den Titel mit enormer Skepsis heran, was an zwei Aspekten liegt: Einerseits habe ich in meiner Gaming-Kindheit nie den berüchtigten Klassiker System Shock gespielt – ein Teil der Kindheit gestohlen, sozusagen nur ein halber Mensch. Andererseits gehöre ich zu den zwei Leuten auf der Welt, die dem spirituellen Nachkommen von System Shock aber auch wirklich gar nichts abgewinnen kann: Bioshock. Ein Spiel, das mich mehr an einen gut gemeinten Disney-Land-Ride erinnert als an eine immersive Simulation, wie das Genre auch manchmal genannt wird – mit linearen Gängen, gescripteten Schreck-Events und einem durchschaubaren Stil, der aus einem Geisterhaus im Wiener Prater stammen könnte.
Und so ist es von Anfang an nicht sehr wahrscheinlich, dass ich mit Prey warm werde, denn die Entwickler haben sich System Shock als Vorbild genommen. In der Tat, die erste halbe Stunde ödet mich geradezu an – mit einer gekünstelten Labor-Umgebung, die ich in dieser Form schon ein halbes Dutzend Mal erlebt habe, einem Plot-Twist aus dem kitschigsten Teil der 90er Jahre und dem ach so typischen einfallslosen Notepad-Storytelling, das aus einer Welt stammt, in der jeder Mensch die strikte Angewohnheit besitzt, noch schnell ein Tagebuch zu schreiben, wenn er sich mit dem Tod konfrontiert sieht.
Doch irgendwie dauert es nicht lange und die Stimmung dreht sich. Der erste Aspekt der greift ist die Atmosphäre. Und damit ist nicht die verlassene Raumstation gemeint, die nichts außer Verwüstung und menschlicher Leere vorzuweisen hat, um Animationen und Schauspieler einzusparen. Vielmehr ist es das Spielsystem, das mein Interesse weckt. Es ist schon lange her, dass ein Spiel es gewagt hat, den Spieler im klassischen Stil von Resident Evil mit der Knappheit von Ressourcen vor echte Probleme zu stellen.
In Prey stehen dem Spieler am Anfang nur sehr limitierte Möglichkeiten zur Verfügung um mit garstigen Aliens einen blutigen Erstkontakt zu proben. Angesichts von Munitionsknappheit wird einem beim Durchstreifen der Umgebung beim Anblick von Gegnern so richtig Angst und Bange, ein präzise designter Spannungsmoment löst den anderen ab. Aus diesem Grund nimmt Stealth einen guten Teil des Gameplays ein und es ist eine völlig freie Wahl, ob man lieber eine Gruppe an Gegnern mit Waffen niederstreckt oder einen weiten Bogen rund herum macht. Der angenehme Nebeneffekt: Praktisch alle Upgrades im Spiel sind wirklich willkommen und trotz immer wahnwitzigeren Fähigkeiten hat man nie das Gefühl, der feindlichen Präsenz jemals Herr zu sein.
Was uns zum zweiten Punkt bringt, der die Qualitäten der Designer offen legt: Die Spielumgebung ist, bis auf ein paar bestimmte Meilensteine, völlig frei erkundbar. Es ist schon eine Weile her, dass ein Spiel dieser Machart es gewagt hat, den Spieler selbstständig erkunden zu lassen. Reine Frustration, wenn man ständig nur Sackgassen findet, in denen der Fortschritt klarerweise erst später möglich ist. Doch diese problematische Entwicklung bleibt bei Prey aus, denn praktisch jeder Raum hat viele redundante Eintrittsmöglichkeiten.
Wer Angst hat, allzu weit außerhalb der Box zu denken, der kann zum Beispiel einfach dem vorgegebenen Spielweg folgen, eine passende Keycard sollte sich so finden lassen. Möglich ist es aber auch, als braver RPG-Veteran seine Skillpunkte in Hacking zu investieren, um den Türmechanismus zu umgehen. Wahrscheinlich ist es aber genauso legitim, die Prey-eigene Klebewaffe einzusetzen, um eine Stiege nach oben zu bauen, wo ein Lüftungsschacht ebenfalls in den Raum führt. Und unverbesserliche Besserwisser können all diese komplizierten Wege ignorieren und ihre Nerf-Gun einsetzen, um auf dem Touchscreen im Raum den Öffnen-Button zu betätigen.
Über dieses Prinzip bewegt man sich nun durch eine gigantische Raumstation, die den dritten Punkt darstellt, der mich überzeugt. Nicht, dass es ein weiter Wurf wäre, eine alternative Geschichte zu schreiben, in der ein überlebender Präsident Kennedy eine ganz neue Art von Raumfahrtstechnologie vorangetrieben hat. Die Designer haben sich jedoch die Mühe gemacht, die gesamte Raumstation in einen einzigartigen Art Deco-Stil zu hüllen, der architektonisch zwar in keinster Weise realistisch, allerdings dafür umso faszinierender zu betrachten ist.
So sind es also vor allem die faszinierenden architektonischen Anblicke und das ausgeklügelte Spielsystem, die mich langsam vom Titel überzeugen. Die Stunden rieseln dahin und selbst nach vielen Besuchen offeriert Prey konstant sinnvolle Spiel-Neuerungen – es ist erstaunlich, wie umfangreich das Spiel ist und wie viel Tiefgang es zu bieten hat. Im späteren Verlauf kann sich der Spieler einzigartige Skills zu Eigen machen, wie zum Beispiel die Fähigkeit der Aliens, sich als unschuldige Objekte in der Umgebung zu tarnen. Greift man allerdings allzu gierig nach den mächtigen Upgrades, so wird man für immer zum Gejagten: Zuvor hilfreiche Turrets erkennen den Spieler nun als Gegner und die stärksten der Aliens durchstreifen nun die Umgebung, um dem Spieler den Gar auszumachen.
Für Menschen mit Zwangsstörungen wie mich ist es zudem eine Erlösung, dass man all das Zeug, das es zu sammeln gibt, in einen Recycling-Container werfen kann, um daraus Crafting-Komponenten zu machen, sodass ich es unterlassen kann, die Bewohner-Leichen als zusätzlichen Inventar-Platz zu nutzen, um jedes noch so nebensächliche Objekt für einen vermeintlichen Notfall in der Zukunft zu verwahren.
Aus all diesen Aspekten ergibt sich ein Mix, der den Spieler über dutzende Stunden fesseln kann und genauso viel Tiefgang bietet, wie ein Spieler sich darauf einlassen möchte. Am Ende sind nur zwei Punkte ein Problem: Einerseits die Shooter-Mechanik selbst, die relativ hakelig und nicht ganz ausgereift daherkommt und somit eher zum Stealth-Gameplay ermutigt. Andererseits ist und bleibt die Handlung eine recht eintönige Angelegenheit, sofern man schon mal irgendein ähnliches Spiel in Händen hatte. So oder so ist Prey allerdings eine überaus gelungene Shooter-Einlage und mit seinem offenen, zum Ausprobieren animierenden Design eine erfrischende Abwechslung im Shooter-Alltag.
Plattform: PS4 (Version getestet), Xbox One, PC, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 05.05.2017, prey.bethesda.net