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At the Fork

5
Dokumentation

Du findest all das grauenvoll!“ Der Satz fällt in der Eingangsszene von John Papolas Kinodebüt und klingt nach einem der Statements, die das Massenpublikum von einer Dokumentation über Fleischproduktion erwartet. Dabei verweist schon diese abgeklärte Erwartungshaltung auf die Perversion gängiger Ernährungsgewohnten.

Jeder weiß, was Wurst, Aufschnitt, Schnitzel & Co. waren, bevor daraus abstrakte Produkte wurden: intelligente Geschöpfe, die Leid und Schmerz empfinden, die einen schrecklichen Tod und ein noch schlimmeres Dasein hatten. Bilder des selbst mitverschuldeten Grauens in Filmen oder Videos ansehen zu müssen, empfinden die meisten Omnivoren als Affront. Da vergeht einem ja der Appetit!

Schön wäre es. Tatsächlich verschlägt Fleischliebhabern nichts so schnell die Lust auf das, was bei Papolas in der Pfanne brutzelt. Rib Fest heißt das große Fleischfressen, das beim Regisseur sonnige Kindheitserinnerungen weckt. Seiner Lebenspartnerin Lisa Versaci graust es. Dafür erntet die langjährige Vegetarierin Gespött vom Rippchen-Koch und den eingangs zitierten Satz. Tierleid ist für die Mehrheit keine Tragödie, sondern amüsant.

Entsetzen über Tierquälerei gilt als exaltiert, kindisch, nervig. Doch der versöhnliche Brückenschlag zu Fans der Billigfleischindustrie ignoriert die vielsagenden Momente, in denen diese Perversion zum Ausdruck kommt, oder verharmlost sie durch heitere Musik und Hintergrundkommentare. Die vermeintlich ausgewogene Reportage zeigt manches Mal nicht schlechte Haltung als artgerecht („Die sind glücklich, wo sie sind.“).

So empfindet sie Papola, wie er selbst sagt, als Versaci und er auf ihrer Tour zu Fleischfarmen mit abweichenden strukturellen und ethischen Modellen vor einem Massentierhaltungsbetrieb landen. Er sieht Rinder herumtraben. Sie sieht Rinder in brütender Hitze im eigenen Kot taumeln. Ein Ziel der Massenindustrie ist es, dass die Konsumenten überhaupt nicht mehr begreifen, was vertretbare Lebensbedingungen sind, erklärt ein Freiland-Farmer. Bei Papola wirkt die Propaganda. Das beweist sein wohlmeinender, aber in der beschwichtigenden Angepasstheit ineffektiver Exkurs. Der doppeldeutige Titel wird zum unfreiwilligen Verweis auf die Ambivalenz des Films. “Ich muss nicht den Tod von jemandem verursachen, damit ich leben kann“, erinnert eine Wissenschaftlerin. Die meisten werden darüber lachen. Beim nächsten Rib Fest.

Regie: John Papola, Drehbuch: Cristina Colissimo, John Papola, Lisa Versaci Papola, Filmlänge: 89 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2017