The Shallows – Gefahr aus der Tiefe
Filetiert man aus Jaume Collet-Serras Hai-Horror The Shallows – Gefahr aus der Tiefe die visuellen Spielereien und Blake Livelys knallhartes Spiel heraus, ist der Überraschungserfolg nur ein weiteres Creature-Feature. Doch die überzeugende Hauptdarstellerin und Kameramann Fabio Labianos technische Expertise garantieren unterhaltsame Genrekost.
Der straffe Survivalthriller besticht mit einem perfiden Sinn für Komik und unterminiert die alte Parabel vom Kampf Mensch gegen Natur mit ein paar kritischen Anstößen. Obwohl der Vergleich mit Steven Spielbergs Der weiße Hai sich unweigerlich aufdrängt, bricht der spanische Regisseur erfrischend mit dem steifen Stil des Klassikers. Letzter wirkt ungeachtet seines Kultstatus nach über 40 Jahren ähnlich aufregend wie ein im Wasser dümpelnder Fischkadaver. Ein solcher erweist sich in der reduzierten Handlung von The Shallows – Gefahr aus der Tiefe für Surferin Nancy (Blake Lively) als rettende Insel. Es ist einer von drei Stützpunkten, an die sie sich im Wasser ein paar Hundert Meter entfernt vom mexikanischen Strand klammert. Die paradiesische Natur, deren Schönheit selbst durch Gefahren kompromittiert wird, enthüllt bald ihre mörderische Seite. Der Plot vergeudet keine Zeit, in der seine Schwächen all zu deutlich hervortreten könnten. Die Aktion konzentriert sich auf die unbarmherzige Szenerie und die zähe Heldin.
Lively trägt ihre nicht nur physisch fordernde Rolle selbst durch Szenen, in denen sie ihr Handeln in unsinnigen Selbstgesprächen erklären muss. Das Casting einer starken Protagonistin ist keine emanzipatorische Umkehr der Actionklischees, die Collet-Serra selbst in seinen vergangenen Werken bediente. Wie Hitchcock genießt es der Regisseur, seine Heldin zu peinigen, doch anders als Hitchcocks kühle Blondinen besitzt Nancy bemerkenswerte Handlungskraft und Orientierung.
Auf der Fahrt zu dem Strand, den einst Nancys Mutter besuchte, macht der mexikanische Fahrer Carlos (Óscar Jaenada) die abgelenkte Touristin auf die Natur um sie herum aufmerksam. Nancy folgt seinem Rat und ihre genaue Observation ihrer Umgebung wird zum entscheidenden Vorteil. Der weiße Hai, der die meiste Zeit ein bedrohlicher Schatten unter der schillernden Wasseroberfläche bleibt, ist anders als in vielen Naturhorrorfilmen keine bösartige Bestie. Das Meer ist sein Lebensraum, Nancy der Eindringling. Collet-Serra lässt seine Heldin selbst aussprechen, dass sie in seinem Jagdrevier sei und damit Rivalen oder Beute.
Als Hai-Häppchen enden bezeichnenderweise zwei Surfertypen (Jose Manuel Trujillo Salas und Angelo Josue Lozano Corzo), die selbstbewusst tönen, hier gäbe es keine Haie. Der verwesende Wahlkörper verweist auf die Umweltzerstörung, die Meeresräuber in warme Küstengewässer treibt. Eine GoPro – hier ein Lieblingsgimmick des technikaffinen Regisseurs – zeigt eine Stichwaffe am Rachen des Hais. Die Menschen haben zuerst angegriffen. Die Natur enthüllt ihre grausame Facette, sobald Nancy ihr auf einer felsigen Untiefe ausgeliefert ist.
Die Nacht ist kalt, die Sonne brennt, Korallen stechen, Quallen brennen und der Haifisch, der hat Zähne. Letzte hätten mehr Biss ohne die Familienproblematik, die Nancy aufgebürdet wird, gerade so, als sei der blutige Kampf gegen einen Riesenhai ohne Familienzoff nur halb so wild. Wie spannend der Rest anzusehen ist, hängt von der Erfahrung des Publikums mit Filmen ähnlicher Couleur ab. Collet-Serra erfindet die Topoi des Genres nicht neu, doch er feilt sie zur Perfektion.
Regie: Jaume Collet-Serra, Drehbuch: Anthony Jaswinski, Darsteller: Blake Lively, Óscar Jaenada, Brett Cullen, Sedona Legge, Filmlänge: 86 Minuten, Kinostart: 28.08.2016, www.theshallows.de