Inside
2016 in das Jahr, in dem wir in den Genuss der Nachwehen der Indie-Welle, die vor 10 Jahren den Gaming-Bereich erfasst hat. Vor ein paar Monaten noch verzaubert uns The Witness vom Macher von Braid mit seiner unbeschreiblichen Welt, nun folgt das dänische Studio Playdead, Schaffer des berüchtigten Limbo, auf den Fuß.
Inside vermittelt auf den ersten Blick ein sehr ähnliches Bild wie der düstere Vorgänger: Ein dunkler Wald, ein anonym gehaltenes Kind kontextfrei auf der Flucht – und doch wird ab dem ersten Moment klar, dass der Titel eine deutliche Weiterentwicklung derselben Machart ist. Das Design des Spiels ist merklich gestrafft.
Wo Limbo graphisch sowie stilistisch etwas roh um die Ecken wirkte, zieht Inside den Spieler mit erdrückendem Detailreichtum in seinen Bann. Wo Limbo eher einer Sammlung von lose aneinander geketteten Ideen gleich kam, wirkt Inside wie ein konsistenter Strang an Albträumen, der sich stetig zur totalen Eskalation weiterentwickelt und zu einem Finale führt, das wohl ohne Übertreibung in die zeitlosen Analen der Videospielgeschichte eingehen wird.
Jeder Moment in Inside ist mit minimalistischem Realismus versehen – weniger ist mehr. Kameraeinstellung, Beleuchtung und Animationen suchen (eigentlich nicht nur) im Indie-Bereich ihresgleichen und setzen neue Maßstäbe. Die größte Errungenschaft ist aber zweifellos das fulminante Sounddesign, das dem ganzen Erlebnis den letzten Schliff gibt und die surreale Atmosphäre beklemmend greifbar macht. Als Spieler trifft man zwar klassisch nach dem „Genre ohne Namen“ auf Puzzle-Aufgaben, die mit Abstand nicht so frustrierend ausgefallen sind wie noch beim Vorgänger: Sie erfüllen eher den Zweck, die Erzählweise voranzutreiben als schlicht die Zeit des Spiels zu strecken.
Interaktive Denkaufgaben lenken die Aufmerksamkeit des Spielers auf die Umgebung und die Umstände, welche die dystopische Welt von Inside auszeichnen. Es werden keine schlecht geschriebenen Memos oder Dialoge benötigt: Inside beschreibt seine Welt ausschließlich über perfekt inszenierte Interaktion. Motive wie Autorität, Unterdrückung, Tod und Freiheit arbeitet Playdead mühelos in verstörende Sequenzen, in denen sich der Spieler beispielsweise zum Überleben in eine hirnlose Menschenmasse einordnet oder hilflos von Hindernis zu Hindernis stolpert um nicht von einer gigantischen rhythmischen Druckwelle zerrissen zu werden. Ein großer Teil des Spiels versucht wie schon Limbo Panik und Angst zu vermitteln.
Der Tod ist ein ständiger Wegbegleiter und die Schrecken, denen es zu entkommen gilt, sitzen tief in den Knochen, da die horrorhaft-kafkaesken Situationen deutlich subtiler und damit wirksamer als noch bei Limbo ausfallen. Inside ist kein langer Titel, aber angesichts der unübertroffenen Virtuosität, mit der in jedem Moment der jahrelange Feinschliff zu spüren ist, mit dem Playdead das Erlebnis versehen hat, ist es beinahe geschmacklos über die Länge zu meckern. Inside ist ein Nachmittag voll unvergesslicher Erlebnissen, ein bis ins Detail perfektionierter, luzider Albtraum, der in diesem Jahr im Sachen Gaming als unbestreitbares Highlight in Erinnerung bleiben wird.
Plattform: PC (Version getestet), Xbox One, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 07.07.2016, playdead.com/games/inside