Cemetery of Splendor
Schlafende Soldaten, die für vergangene Könige Kämpfen, Gottheiten, Gedankenleser und eine skurrile Lichttherapie – Cemetery of Splendor ist eine kühle Mischung aus sinnlosen Szenen und vergebenen Chancen, interessanter Thematik und nachwirkenden Momenten.
Soldaten, die an einer mysteriösen Schlafkrankheit leiden und, selbst nachdem sie aufwachen, auch jeden Moment wieder einschlafen können. Die Krankheit schlägt unvermittelt zu. In einem Krankenhaus, das früher eine Schule war und auf dem Grund eines königlichen Friedhofs steht, werden die Soldaten behandelt, mit Lichttherapie, einer Gedankenleserin und Angehörigen oder freiwilligen Helfern, die den Soldaten vorlesen oder sie waschen. Jenjira (Jenjira Pongpas Widner) ist eine jener Freiwilligen, mit einem kürzeren linken Bein und deshalb zum gehen auf Krücken verdammt, und kümmert sich um Itt (Banlop Lomnoi), im wachen, wie im schlafenden Zustand. Von zwei Gottheiten erfährt sie, dass die Soldaten im Schlaf für die Könige der Vergangenheit kämpfen. Mithilfe der Gedankenleserin (Tawatchai Buawat) begibt sie sich auf die Reise in den Kopf des schlafenden Itt und wird dadurch selbst für immer verändert.
Cemetery of Splendor (Originaltitel: Rak ti Khon Kaen), der neue Film von Apichatpong Weerasethakul, klingt von der Inhaltsangabe wie ein leicht fantastisch angehauchtes Drama tief hinein in die Abgründe der menschlichen Natur, in den Zustand des Schlafens und vor allem Träumens, also sprich in das Unterbewusstsein des Menschen. Stattdessen präsentiert sich die Geschichte jedoch als überaus sachlich und nüchtern erzählte Beschreibung, die vor allem aus ruhigen und langen Einstellungen und leider viel zu oft von sinnlosen Aufnahmen lebt. Aufnahmen wie z.B. einen Mann, der in den Wald scheißt (und man muss es leider so direkt sagen, weil es auch im Film genau so direkt gezeigt wird); oder einen anderen Mann, der von einem Arzt diagnostiziert wird, dass er Würmer hat; oder einem vorbeilaufenden – und sicherlich symbolisch aufgeladenen – Huhn inklusive Küken, die allesamt jedoch keinerlei erkennbare Verbindung zum restlichen Geschehen aufweisen. So wirkt Cemetery of Splendor vielmehr wie ein bemüht artifizielles Kunstprodukt, dass viel aussagen und bedeuten will, aber irgendwie keinerlei Erkenntnisse oder Emotionen hervorruft, dafür ist die Geschichte viel zu kühl.
Apichatpong Weerasethakul wollte mit seinem neuesten Werk sicherlich etwas aussagen oder zumindest irgendein Gefühl hervorrufen, doch letztlich wirkt der Film eher wie eine auf über zwei Stunden aufgeblasen leere, abgedroschene Phrase, die einem immer wieder eingebläut wird, ohne dass man so recht weiß, was einem da eingebläut werden soll. War es sein Ziel zur Desorientierung des Zuschauers beizutragen, so ist ihm wenigstens das gelungen. Was Schade ist, denn es gibt doch immer wieder das Aufflackern interessanter Ideen und Aspekte. Unverständlich bleibt, wieso darauf verzichtet wurde die schlafende Innenwelt auch visuell zu erforschen und stattdessen lieber auf rein sprachliche Erklärung davon zurückgegriffen wird. Überhaupt scheint Cemetery of Splendor eher der Riege an Filmen anzugehören, die lieber erzählen anstatt zu zeigen.
Trotzdem hat Cemetery of Splendor auch seine Reize. Man muss ihm Zugutehalten, dass er lange nachwirkt und man sich auch über die Handlung hinaus, zahlreiche Gedanken zu dem Film macht, nicht zuletzt um den Sinn der Geschichte zu entschlüsseln, aber auch deshalb weil sich in den Tiefen der zahlreichen Szenen durchaus ein Gefühl der Einsamkeit einschleicht, eine Szenerie offenbart wird, die Atmosphäre kreiert und profunde Einblicke in menschliche Isolation offenbart. Vieles in dem Gesehenen ist natürlich symbolisch zu verstehen, nicht alles davon kann der Zuschauer verstehen. Sei es nun, weil die Einblicke in die Thailändische Gesellschaft und Geschichte fehlen oder weil einem der Film doch zu sehr befremdet, denn gewöhnungsbedürftig trifft hier auf jeden Fall zu.
In dieser Hinsicht lässt sich zumindest spekulieren, dass man Weerasethakuls neues Werk nicht einfach als sinnloses Machwerk abtun sollte und es sich dabei um einen Film handelt, der eventuell mit der Zeit wächst, der nach mehrmaligen ansehen mehr offenbart und den Zuschauer, je öfter man ihn sieht, mehr und mehr in seinen Bann zieht. Ob das zutrifft, wird die Zeit zeigen. Auf den ersten Blick ist Cemetery of Splendor sperrig und schwer zugänglich, voller kühler, langer Szenen die keine Emotionen oder Erkenntnisse übermitteln, komplett von der restlichen Handlung losgelöster Momente und dem nagenden Gefühl, dass die Geschichte ihr visuelles Potenzial verschenkt. Gibt man der Geschichte eine zweite Chance und riskiert eine genauere, aufgeschlossenere Betrachtung, dann zeigen sich zahlreiche Aspekte wie das Thema der Einsamkeit und Isolation in der gesellschaftlichen Gegenwart, dem auseinanderdriften zwischenmenschlicher Kommunikation und Verständnis und dem Glauben, dass in Cemetery of Splendor doch mehr steckt, als man zu Beginn vermutet.
Keine Frage, es ist kein Film, der es dem Zuschauer leicht macht und alle Antworten und Erkenntnisse auf dem Silbertablett serviert. Nein, das Publikum muss sich alle Inhalte selbst erarbeiten, doch das wird nicht immer belohnt oder macht Cemetery of Splendor deshalb zwangsläufig zu einem besseren Film. Ein forderndes Werk, das gut sein kann, aber nicht sein muss; das viel beinhalten kann, aber nur wenn man danach sucht; das im ersten Moment vielleicht abstößt, aber dennoch lange nachwirkt. Wer sich also diesem filmischen Zwiespalt von Apichatpong Weerasethakul stellt, wird nicht unbedingt befriedigt aus dem Film gehen, geschweige denn davon unterhalten sein, doch man wird Cemetery of Splendor, im Guten wie im Schlechten, lange nicht vergessen.
Regie und Drehbuch: Apichatpong Weerasethakul, Darsteller: Jenjira Pongpas Widner, Jarinpattra Rueangram, Banlop Lomnoi, Filmlänge: 122 Minuten, Kinostart: 22.01.2016, gezeigt im Rahmen der Viennale V‘15