Jimmy’s Hall
Lord of the Dance in Tweed: Ken Loach lässt seine historischen Puppen im Titelgebäude lieber zu Shamrock-Nostalgie statt kritischen Tönen tanzen.
„Am schlimmsten sind jene, die mit ihrer elenden Tristheit unseren Geist töten wollen.“, raunt der irische Kommunist und Gemeindehaus-Erbauer Jimmy Gralton (Barry Ward) dem philisterhaften Kirchenvater Sheridan (Jim Norton) zu. Die Worte bestätigen, was das Publikum längst weiß: über den apodiktischen Pater Sheridan und den auf seine Weise festgefahrenen Regisseur. Der auf der diesjährigen Berlinale mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnete Filmemacher rüttelte einst mit packenden Dramen wie Raining Stones und The Wind that shakes the Barley auf. Im Gegenzug schläfert er nun eher ein mit Werken wie The Angel’s Share – Ein Schluck für die Engel und leider auch seiner jüngsten Exkursion in Irlands Geschichte.
Die Anwohner des ländlichen Leitrim, in das der aufgeklärte Jimmy 1932 nach zehn Jahren in New York zurückkehrt, kommen mit seiner Wiedereröffnung der Gemeindehalle so richtig in Schwung. Leider greift kaum etwas davon auf den Plot über, der ähnlich mitreißend ist wie ein unmotivierter Schulvortrag. Historischer Hintergrund? Interessiert keinen! Komplexe Charakterisierungen? Verwirrt nur! Der maßgebliche geschichtliche Rahmen des vom realen James Gralton inspirierten Porträts wird bestenfalls grob umrissen.
Die Mitspieler in dem lokalen Konflikt um das in Kirchenaugen moralschädigende Titelgebäude, der landesweit Aufmerksamkeit erregt, ihre abweichenden Interessen sowie globale wirtschaftliche und politische Unsicherheit verwischen zu einem Feindbild. Seine Prototypen sind der Jazz, kostenlose Sport- und Kunstkurse und Tanzvergnügen verteufelnde Pater Sheridan und der brutale Großgrundbesitzer O’Keefe (Brian F. O’Byrne), der seine Tochter Marie (Aisling Franciosi) für ihren Besuch des Gemeindehauses misshandelt.
Die ebenso eindimensionalen Guten sind Jimmys Jugendliebe Oonagh (Simone Kirby) und seine Ortsnachbarn, die sich einig gegen Zwangsräumung wehren und abwechselnd „All that Jazz“ und „Riverdance“ proben. Das soziale Ungleichgewicht, das Loach sonst zielsicher aufzeigte, wirkt hier befremdlich pittoresk.
Die holprigen expositorischen Szenen, die dem Zuschauer mit ein paar vagen zeitgeschichtlichen Zusammenhängen die obligate Meinung gleich mit darlegen, triefende Dialogfloskeln wie „Narben auf dem Herzen heilen nicht so rasch.“, das übermäßige Schwelgen in Bildern von Ringelpietz und der unerfüllten Liebe zu Oonagh: all dies rückt Jimmy’s Hall traurig nah an verflachte Hollywood-Historienschreibung. Die gesellschaftskritischen Ambitionen, die Loachs älteren Filmen ihre Nachhaltigkeit gab, klingt hier nach einer kalkuliert aufgelegten Platte: nicht kreativ, sondern mechanisch.
Regie: Ken Loach, Drehbuch: Paul Laverty, Darsteller: Barry Ward, Simone Kirby, Andrew Scott, Jim Norton, Brían F. O’Byrne, Filmlänge: 109 Minuten, Kinostart: K.A., www.pandorafilm.de/filme/jimmys-hall.