Papo & Yo
Kaum ein Publisher ist mehr darum bemüht, dem Medium aus dem Sumpf der vorurteilsbehafteten Oberflächlichkeit zu verhelfen als Sony. Bereits „Journey“ hat in diesem Jahr eindrucksvoll gezeigt, was das bedeutet, nun führt „Papo & Yo“, das teilweise aus dem Sony Pub Fund finanziert wurde, diese Linie fort…
Gespielt wird die Reise von Quico, einem Jungen der getrieben durch die Furcht vor seinem alkoholabhängigen Vater in eine Fantasiewelt flüchtet, die ihm alle Lösungen für sein Problem anzubieten scheint. Dabei ist er immer gebunden an Monster, seinen riesigen Gefährten, der im Grunde kaum Interesse an irgendetwas neben Kokosnüssen und Schlaf zeigt. Nur Frösche entlocken ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit, doch sobald er einen verschlungen hat, verwandelt er sich in einen furchteinflößenden Dämon, der nichts außer Zerstörung im Sinn hat und dem auch Quico ein Dorn im Auge ist.
Immer gebunden an diese Monstrosität bewegt sich Quico durch seine Welt und muss verschiedenste mechanische Aufgaben lösen um Hindernisse zu überwinden. Diese Aufgaben sind selten allzu fordernd und dienen eher als Schlüssel zu neuen Eindrücken und Empfindungen. Die Rätsel sind auch gar nicht der Mittelpunkt von Papo & Yo, genauso wenig wie die etwas holprigen Platformer-Elemente, es ist vielmehr die symbiotische Abhängigkeit Quicos zu seinen Reisegefährten die im Kern des Erlebten steht und mit einer symbolischen Perfektion umgesetzt ist, wie sie sicherlich lange in Erinnerung bleiben wird.
Brillante hochauflösende Texturen und Modelle sucht man bei „Papo & Yo“ vergeblich, aber dafür hat sich der Titel nicht im Geringsten zu rechtfertigen. Er spielt in einer Klasse des visuellen Designs, die nur sehr wenigen Videospielen vorbehalten bleibt und ist bis zum Bersten gefüllt mit kreativen Kanapees, die mit einem beispiellosen Verständnis für die kindliche Vorstellungskraft niemals zu aufgesetzt wirken. Die Spielumgebung ist die Fantasiewelt eines Kindes, für das die kalte Realität wenig mehr als eine aufgemalte Hülle darstellt und diese Tatsache ist visuell in den Slums, die den Schauplatz darstellen, allgegenwärtig. Der Spieler wird tief in diese Scheinrealität gezogen, bis sie sich mit großen Schritten wie jede Fantasiewelt unaufhaltsam und gnadenlos im Nichts auflöst.
Auch in musikalischer Hinsicht handelt es sich bei „Papo & Yo“ um ein Meisterwerk, der südamerikanisch angehauchte Soundtrack hüllt das Geschehen zu jedem Zeitpunkt in einen Schleier aus Emotionen, aus dem sich der Spieler nur schwer entziehen kann. Etwa vier Stunden werden investiert ehe die Credits erreicht sind, vier Stunden deren Substanz weit dichter ist als es der Status eines Download-Titels erwarten lässt.
Indie-Spiele wagen sich in den letzten Jahren immer öfter auf das waghalsige Terrain ernster Thematiken, oft stellt sich dieses Spielfeld aber als sehr glattes Eis heraus und der Versuch driftet, wenn nicht ins pathetische, dann zumindest in das Mittelmaß ab. „Papo & Yo“ gelingt der kunstvolle Akt ein ernstes Thema in präziser Perfektion mit einer unterhaltsamen und vielschichtigen Spielwelt zu verknüpfen und lässt den Spieler der sich darauf einlässt dankbar alle kleineren Engpässe vergessen.
Vermutlich wird der Titel keine großen Wellen schlagen und es ist natürlich fraglich ob er für jedermann zugänglich ist. Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei ohne Übertreibung um einen der vielleicht wichtigsten Releases im Jahr 2012, wenn auch nicht für den punktesüchtigen Gamer, so doch für die Videospielindustrie als Ganzes und im Besonderen für Menschen die mit dem Medium normalerweise nichts anzufangen wissen.
Plattform: PS3 (PSN) (Version getestet), Altersfreigabe (Pegi): 12, Spieler: 1, Erscheinungsdatum: 24.08.2012