Hell
Manche sagen, es gäbe zu wenig deutsche Genrefilme. Andere sagen, die paar Vorhandenen wären ohnehin schon genug des Übels. Und in der Tat haben diese seltenen Exemplare meist nicht mehr zu bieten als durch Dialekt, heimische Schauplätze und den fast schon obligatorischen Ironie-Ansatz eingedeutschte, unoriginelle Kopien der klassischen US-Vorbilder. So ließ „Rammbock“ in Genre-getreuer Manier blutrünstige Zombies durch einen Berliner Wohnblock taumeln und „In drei Tagen bist du tot“ sowie „One Way Trip 3D“ stellten eindrucksvoll unter Beweis, wie sorgfältig deren Macher das Handbuch für den ordinären amerikanischen Teen-Slasherfilm auswendig gelernt haben…
Endzeit-Szenarien sind im deutschsprachigen Film noch rarer gesät. Der junge Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum hat es nun in seinem Spielfilm-Debüt „Hell“ dennoch gewagt und konnte für das Projekt Roland Emmerich höchstpersönlich als Produzenten hinzugewinnen. Doch leider – der Film scheiterte auf geradezu erschreckende Weise in den deutschen Kinos und wurde in Folge von seinem Verleih diskret unter den Teppich gekehrt. Ob das ausbleibende Kinopublikum Fehlbaums postapokalyptischem Thriller unrecht tat, das durfte man an den letzten Tagen beim Crossing Europe Festival selbst herausfinden, denn Genre-Enthusiast Markus Keuschnigg holte in seiner „Nachtsicht“-Programmschiene „Hell“ noch einmal auf die große Leinwand.
Zwar darf man sich in dieser deutsch-schweizerischen Inszenierung der Postapokalypse keine großartigen Innovationen erwarten, denn auch „Hell“ vertraut strikt auf seine amerikanischen Vorgänger, beziehungsweise auf den leicht alternativen Ansatz, der in letzter Zeit von Filmen wie „The Road“ eingeschlagen wurde. Eine kleine Gruppe disharmonierender und durch Zufall aneinander gebundener Überlebender kämpft sich auf der Suche nach letzter Hoffnung durch die schaurigen Überbleibsel einer toten Welt und begegnet dabei schon bald dem Angesicht des ultimativ Bösen, das aus dem Ende der Menschheit, dem Verlust von Moral und einem eisernen Überlebenstrieb hervorgekrochen kommt.
Doch selbst wenn auch die Geschichte an sich hier nichts wirklich Neues bietet, so ist die visuelle Umsetzung des erschreckend vorstellbaren Endzeit-Szenarios durchaus originell und spannend mit anzusehen. Im Jahr 2016 hat sich die Erde deutlich erwärmt, Tiere und Pflanzen sind längst vertrocknet, die Wasserreserven fast zur Gänze aufgebraucht. Wer sich nur wenige Stunden den gleißenden Sonnenstrahlen aussetzt, riskiert den sicheren Tod. Die Überlebenden suchen nach letzten Wasserresten in Heizungsrohren und Toiletten-Spülkästen. Blendend grelle, großteils bis zur Unkenntlichkeit überbelichtete Bilder machen die feindliche Hitze dabei fast spürbar. Anders als in diversen Zombie-Filmen oder „I am Legend“ ist es hier die schutzspendende Dunkelheit der Nacht, nach der sich alles sehnt.
Aus der Kombination von gelungener Endzeit-Atmosphäre, absolut erträglichen deutschen Schauspielern und einer kleinen Spur von europäischem Independentfilm-Flair entsteht somit ein solides Stück Genrekino, das auch ohne große Special Effects und hochgradige Gewaltszenen durchaus mit seinen amerikanischen Vorlagen mithalten kann und beweist, dass sich selbst eine altbekannte Story gelegentlich noch gut erzählen lässt. Man darf auf weitere deutsche Sci-Fi Genrefilme gespannt sein, die dann hoffentlich noch einen etwas eigenwilligeren Weg einschlagen werden – abseits der von Hollywood vorgetretenen Pfade.
Regie: Tim Fehlbaum, Drehbuch: Tim Fehlbaum, Oliver Kahl, Thomas Woebke, Darsteller: Hannah Herzsprung, Stipe Erceg, Lars Eidinger, Lisa Vicari, Angela Winkler, Laufzeit: 86 Minuten
Gezeigt beim Crossing Europe Filmfestival, „Hell“ wird im Rahmen von /slashing Europe am 3. Mai im Filmcasino zu sehen sein